Die jungen Rebellen
Flasche an die Lippen und nimmt einen großen Schluck.
Mit geröteten Augen sieht er um sich. »Ich denke«, sagt er unsicher, »mit Ihrer gütigen Erlaubnis, meine Herren, bin ich jetzt fertig. Wenn Sie gestatten, räume ich die Eßwaren weg.«
Er steht schwerfällig auf, nimmt ein paar Schüsseln in die Hand, hängt sich noch ein Henkeltöpfchen an den Finger, geht in eine Ecke des Zimmers und öffnet die Tür einer alten Anrichte; sorgfältig stellt er die Speisen, eine nach der andern, in die Regale, den abgenagten Knochen vom Schinken wirft er in das Kistchen vor dem Ofen. Schließlich dreht er den Schlüssel im Schloß der Anrichte herum und lamentiert: »Ein alleinstehender Witwer, der auch familiären Kummer hat, kann sich kein Personal halten. Meine Wohnung ist voll mit Gegenständen, die ich nicht der Obhut einer fremden Person anvertrauen kann. Außerdem bin ich hier zu Hause gern allein.«
Den Schlüssel steckt er in seine Hosentasche und stellt sich vors Fenster, wodurch sich das Zimmer etwas verdunkelt. Er sucht eine Zigarre heraus und zündet sie umständlich an, dann setzt er sich wieder an seinen Platz, macht es sich bequem und schiebt mit einem Ruck seinen Bauch zurecht. Die Ellbogen stützt er auf den Tisch, bläst den Rauch zur Lampe hoch und fragt, über sie hinwegsehend, in dienstlichem Ton: »Womit kann ich den jungen Herren dienen?«
Der ranzige Schmalzgeruch im Zimmer ist so penetrant, daß es Ábel würgt. Sie sitzen minutenlang wort- und regungslos. Havas’Wesen und die Eßprozedur haben auf sie wie ein Naturereignis gewirkt. Hätte er irgendwo Zicklein hervorgezerrt, ihnen die Gliedmaßen ausgerissen und diese mit Appetit verschlungen, wären sie kaum überraschter gewesen. Das Zimmer ist voller Fliegen. Der Essensgeruch hat sie durch das halbgeöffnete Fenster angelockt, sie setzen sich auf die Beine und ins Gesicht, sind zudringlich, beißen und stechen.
»Es wird ein Gewitter geben«, sagt Havas und kratzt sich den Handrücken, »die Fliegen sind frech.« Er raucht erwartungsvoll und geduldig.
Das Zimmer ist mit sonderbaren Gegenständen vollgestopft. Drei Kronleuchter baumeln von der Decke herab, aber in keinem ist eine Glühbirne. An der Wand steht eine riesige Photokamera auf drei Beinen, auf einem Schrank oben verstauben unzählige Zinnkrüge. Die Ansammlung von siebenarmigen Leuchtern füllt einen ganzen Tisch, mehrere Spieluhren hängen an der Wand, aber ihre Zeiger stehen still.
»Ein erstklassiges Gerät«, sagt Havas, der ihrem Blick gefolgt ist, und deutet auf die Photoapparatur: »Bin darauf sitzengeblieben. Man wird ja so vieles nicht wieder los. Die Herren kennen den Photographen Vizi? War Spezialist für Babyphotos. Jetzt ist er im Feld. Seine Frau gab die Apparatur herein, sie ist ohne einen Groschen zurückgeblieben, vom Photographenhandwerk versteht sie nichts. Was soll ich mit dem Gerät? Vorläufig behalte ich es. Sollte Vizi wiederkommen, kann er es zurückhaben. Schätzwert zweihundert Kronen. Damit er wieder Photos von Babys und Erstgeborenen macht. Erinnern Sie sich? Sicher hat er auch die jungen Herren photographiert.«
Havas stellt sich hinter die Kamera, deutet scherzhaft die Gesten des Photographen an und sagt: »Hier fliegt das Vögelchen, husch. Ein komischer Beruf. Bitte, auch von mir hat man ein solches Bild gemacht. Ich liege nackt auf einem Bärenfell, strample mit den Beinchen, keiner würde glauben, daß ich es bin. Wenn ich mich jetzt nackt auf ein Bärenfell legen würde, mit Verlaub gesagt, und mit den Beinchen zu strampeln anfinge … Ja, Vizi kann sein Gerät wiederhaben. Havas hat ein Herz.«
»Sie haben hier ein interessantes Lager, Herr Havas«, sagt Tibor und räuspert sich leise.
Artig lassen sie die Augen im Raum herumwandern, als wären sie nur gekommen, um die Schätze eines Kunstsammlers zu besichtigen. Im Zimmer herrscht eine seltsame, aufs erste schwer zu durchschauende Ordnung. Der Eintretende könnte glauben, er habe es hier mit einem chaotischen Haufen von Trödel zu tun, doch wenn sein Auge ans Dämmerlicht gewöhnt ist und er sich in der Unordnung ein wenig orientiert hat, wird er feststellen, daß jedes Stück an seinem Platz ist. Auf einem amerikanischen Reisekoffer steht ein ausgestopfter Fuchs, an der Wand hängt ein leerer Vogelkäfig. Ábel blickt gebannt auf diesen Käfig, der so wenig zu Havas und zu diesem Zimmer paßt.
Er fragt: »Mögen Sie auch Vögel, Herr Havas?«
Der Pfandleiher befaßt sich mit dem
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