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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Näpfen, Tellern und Tassen Essensreste. Dies alles könnte ihn nicht sonderlich erschüttern, wenn ihm nicht, mehr noch als diese Wirklichkeit, die Erinnerung dämmern würde, daß er das alles schon einmal gesehen und erlebt hat. Obwohl er weiß, daß er noch niemals hier gewesen ist. Er ist Havas im Traum begegnet, und Havas ist genauso vor ihn getreten, sich über den Schnurrbart streichend und am Hals den Kragenknopf suchend, mit dem gleichen Lächeln. Die Wiederholung eines nie erlebten Augenblicks verblüfft ihn so sehr, daß er zurückweicht. Doch Havas merkt nicht, wie verdutzt Ábel ist, sich verbeugend läßt er sie vorbei, sie treten ein, und der Pfandleiher zieht hinter sich die Zimmertür zu.
    »Geruhen Sie Platz zu nehmen«, sagt er und schiebt zwei Stühle an den Tisch heran. »Die jungen Herren haben vermutlich das Essen schon hinter sich. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir erlauben wollten, mein Mittagsmahl zu beenden.«
    Er wartet höflich, bis Tibor zustimmt, setzt sich an den Tisch, bindet sich die Serviette um den Hals und inspiziert kurz die Näpfe und Teller. »Ich denke, hier habe ich unterbrochen«, sagt er schließlich und zieht eine Schüssel mit einer Art Pastete vor sich hin, er schöpft daraus mit dem Suppenlöffel und schiebt diesen in den Mund. »Bitte wundern Sie sich nicht«, bemerkt er schmatzend und mit einem etwas verschämten Lächeln, »daß ich Fleischspeisen ohne Brot esse. Brot macht dick. Fleisch für sich macht nicht dick. Ich habe mir das Brot ganz abgewöhnt, wie Sie zu sehen belieben. Wenn ich den Herren etwas anbieten kann?«
    »Lassen Sie sich nicht stören, Herr Havas«, sagt Tibor.
    »Einen kleinen Kontuschovka vielleicht? Nein?« Die Tonflasche steht in Griffweite entkorkt auf dem Tisch. »Ein kranker, dicker Mensch wie ich muß sehr auf seinen Magen achten«, sagt er und nimmt einen kräftigen Schluck aus der Flasche.
    »Gewissermaßen muß ich ja Diät leben.« Und er deutet mit seiner Riesenhand über den Tisch, die Tassen, Näpfe und Schüsseln. Frische Speisen sehen sie nicht. Der Pfandleiher ist offensichtlich Fleischesser. Und bewahrt alle Reste auf. »Ich bin alleinstehend, Witwer, muß beim Essen etwas vorsichtig sein«, wiederholt er und schneidet sich ein Stück gekochtes kaltes Rindfleisch ab, nimmt es in die Hand und verschlingt es in großen Bissen. »So habe ich mir denn diese Diät ausgedacht. Fleisch, meine Herren, gehört zu den Nahrungsmitteln, die sich am schnellsten zersetzen, also leicht zu verdauen sind. Ich lasse zweimal in der Woche für mich kochen, Samstag und Mittwoch. Und immer nur Fleisch. Ins Gasthaus kann ich nicht gehen«, sagt er und senkt den Blick, »denn die Portionen, die ich bei einer Mahlzeit brauche, sind so reichlich, daß ich damit Aufsehen erregen würde. Und von einem gewissen Alter an scheut der Mensch das öffentliche Aufsehen. Ich muß«, und er macht eine Pause, lutscht an einem seiner fettglänzenden Finger und wischt ihn dann in der Serviette ab, »auf einen Sitz ein ganzes Kilo Fleisch verspeisen.«
    Er greift sich einen schon halb abgenagten Schinkenknochen, hält ihn gegen das Licht und beißt dann ins verbliebene Muskelfleisch.
    »Andernfalls fühle ich mich krank«, sagt er mit großer Selbstverständlichkeit. »Ich brauche exakt mein Kilo Fleisch, ohne Brot, mittags und abends. Lasse mir Fleischgerichte zubereiten, die sich länger halten. Ich muß auch auf Abwechslung achten. Habe einen ganz seltsamen Magen. Der verträgt, ja, verlangt dieses Kilo aus vier, fünf verschiedenen Fleischsorten, und wenn ich nur eine Sorte esse, sagen wir ein Kilo Rindfleisch zu Mittag, spüre ich am Nachmittag schon meinen Magen. Meine Hauptnahrung sind die Pasteten. Ich habe ständig verschiedene Pasteten im Haus, denn sie halten sich am längsten. Manchmal muß ich auch am Nachmittag noch etwas essen. Probieren Sie ein Häppchen?«
    Er schiebt ihnen die gräulichbraune Pastete hin. »Wie Sie wünschen.« Von dem Schinkenknochen holt er noch ein Stück herunter, zerrt mit den Zähnen an ein paar widerspenstigen Fleischresten. »Zwischen den verschiedenen Fleischsorten nehme ich einen Schluck Kontuschovka. Dies, meine Herren, ist ein echter, reiner polnischer Kontuschovka. Der schafft Ordnung in den Verdauungsorganen. Die Därme rumoren, der Kontuschovka versprüht seine Wirkung wie eine Feuerwehrspritze, ein, zwei Gläschen, und die Därme geben Ruh.
    Kann ich nur empfehlen.« Er legt den Kopf zurück, setzt die

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