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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Kontuschovka, schnuppert in die Flasche hinein: »Weiß der Himmel«, sagt er mißmutig, »auch den fälschen sie schon. Er kommt aus Polen, wahrscheinlich wird er dort bereits verwässert. Echter Kontuschovka brennt einen … Vögel?« Er wendet sich an Tibor: »Wie man’s nimmt. Das hier war ein Pfandobjekt. Man hat es hereingegeben, ich weiß gar nicht, warum ich es angenommen habe. Denn ich bin doch keine Tierhandlung. Aber es war so ein kleines singendes Vögelchen … ein Zeisig, wenn die Herren so etwas kennen. Man ist allein. Wenn ich am Morgen aufwachte, hat er gesungen. Die Herren werden es nicht glauben, wie sehr ein einsamer Mensch wie ich sich an so ein Tierchen gewöhnen kann. Nur, er wollte einfach kein Fleisch fressen. Alles in allem hat er leider nur zwei Tage gesungen.«
    Er schaut mit traurig sinnendem Blick vor sich hin: »Ich dachte, warum soll ich ihm Hirse und Körner kaufen, wenn so viel Fleisch da ist. Die Schwalben fressen Fliegen. Warum sollte ein Zeisig kein Fleisch fressen? Der Schrank ist immer voll mit Fleisch. Ich habe ihm kleine Fleischbrösel gegeben, das leichteste Fleisch, vom Kalb. Er konnte sich nicht daran gewöhnen.«
    Havas macht eine abweisende Handbewegung. »Ich konnte ihn nicht lange halten. Sagte ja schon, bin kein Tierhändler. Es war ein Termingeschäft, wenn die Herren wissen, was ich meine. Tiere nehme ich ja überhaupt nicht als Pfand an. Aber der Havas hat ein Herz, und da kommt eines Tages eine etwas verblühte ältliche Dame daher und reicht mir durchs Gitterfenster diesen Käfig herein. Natürlich jammert sie mir gleich etwas vor. Ich muß so lachen, daß mir der Bauch weh tut. Was stellt sich die Gnädige denn vor? frage ich. Was ist so ein Vogerl wert? Was der Mensch nicht alles erlebt! Und der Wortschwall und die Tränen fließen. So und so, und daß sie vier Kronen benötigt, sie bekommt in drei Tagen Geld, bringt es dann, und von allen Dingen, die ihr im Leben lieb sind, ist ihr dieses Zeiserl das liebste. Das ist ein Geschäft, denke ich. Aber sie geht nicht weg, und der Zeisig singt. Für drei Tage, sage ich, weil ich gut gelaunt bin und weil Havas ein Herz hat. Die jungen Herren können sich nicht vorstellen, was die Leute mir alles herschleppen. Auch feine Menschen … Alle aus der Stadt. Ich rede nicht darüber. Aber das Vogerl hat gesungen. Da dachte ich, es hat Hunger. Das Fleisch fraßer nicht, und dann hat er aufgehört zu singen. Ich wußte, den werde ich sicher nicht mehr los; aber können Sie mir sagen, was ich, alleinstehend und Witwer, mit einem Zeisig anfangen soll?«
    Er stützt seine schwere Stirn mit der Hand ab, steckt dann die Zigarre in die Spitze: »Jetzt stellen Sie sich vor: Am dritten Tag kommt die Dame wieder. Steht vor dem Gitterfenster und schiebt mir das Geld hinein: >Da sind die vier Kronen, lieber Herr Havas, Gott möge es Ihnen lohnen, daß Sie so gütig waren. Sie wissen, ich komme, um den Vogel zu holen.< >Was für einen Vogel?< frage ich. Sie fängt an zu zittern, ringt nach Luft und sagt: >Meinen Vogel, Herr Havas, den Zeisig, den Sie so freundlich waren für zwei Tage hereinzunehmen, meinen kleinen Zeisig.< Und krallt sich am Gitter fest. Ich sehe sie an, denke, du wirst ihr den Vogel tatsächlich zurückgeben müssen. Das Problem war nur, daß er nun nicht mehr gesungen hat.«
    Er deutet zum Ofen hin, zur Kehrichtkiste, die voll ist von Essensresten und Knochen: »Zum Glück wird bei mir erst gegen Abend geputzt. Also ziehe ich das Gitter herunter, gehe in die Wohnung hoch und suche das Vögelchen aus der Kiste heraus. Es fühlt sich schon ein wenig hart an. Doch zum Glück ist es noch da. Zeig ihr, Havas, dachte ich, daß in deinem Laden nichts verlorengeht, bei dir werden die Kunden anständig bedient. Ich nehme das Tierchen, lege es ordnungsgemäß in ein Schächtelchen, wie das bei Pfandgegenständen üblich ist. Es hatte nur die Größe einer Taschenuhr. Ich habe das Päckchen verschnürt und versiegelt, alles so, wie es die Vorschrift verlangt. Ich reiche das Schächtelchen durchs Gitter hinaus und warte, was sie sagt. >Was ist das, Herr Havas?< fragt sie und dreht das Päckchen herum. >Um Gottes willen, was ist das?< Sehen hätten Sie die Dame müssen, meine Herren. Sie hatte gehäkelte Handschuhe an, die nur die halbe Hand bedecken. Und sie trug einen kleinen schwarzen Strohhut. >Ein Stück Zeisigs antworte ich und warte. Sie reißt die Siegel ab, löst die Schnur, und da liegt der kleine Zeisig. Sie hebt ihn

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