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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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heraus, hält ihn in der Hand, sieht ihn ruhig an. Ich dachte, sie würde schreien. Stellen Sie sich vor, sie hat nicht geschrien, sagte nur: >Oh … Oh.<«
    »Was sagte sie?« fragt Ábel und beugt sich vor.
    Havas sieht ihn an. »Sie sagte: >Oh<«, wiederholt er. »Weiter sagte sie nichts. Aber sie ging nicht weg, stand da, das Vogerl in der Hand, die Tränen liefen ihr über die Wangen. Da wurde ich böse, weil es immer so endet, wenn der Mensch auf sein gutes Herz hört, und ich herrschte sie an: >Was gibt es da zu weinen, Gnädige? Er wollte das Fleisch nicht fressen. Schämen Sie sich nicht zu flennen wegen eines Vogels?< Sie sagte: >Schämen, Herr Havas?< Da bekam ich einen roten Kopf, wie immer, wenn ich auf mein Herz gehört habe und dann erleben muß, daß es so endet. >Wissen Gnädige nicht, daß wir Krieg haben?< sagte ich. >Schämen Sie sich nicht, einen Zeisig zu beweinen, wo Tag für Tag so viele Menschen ihr Leben lassen? Sie sollten sich schämen<, und ich riß das Gitter herunter. Ich bin kein schlechter Mensch, doch mein Herz hält so etwas nicht aus. Wissen Sie, was sie geantwortet hat? Sie sagte: >Wen soll ich denn beweinen, bitte?< Da verlor ich die Beherrschung und schrie: >Sie Vogelscheuche, Sie Zeisigjungfer, Millionen krepieren draußen, und Sie haben keinen, den Sie beweinen können?< Da sagte sie: >Keinen, bitte.< >Dann weinen Sie um die vielen Millionen<, schrie ich und wußte nicht mehr, ob ich zornig sein oder lachen sollte. Stellen Sie sich vor, sie sagte: >Die, bitte, habe ich nicht gekannt.<«
    Er gießt sich aus der Flasche ein Wasserglas halb voll und nimmt einen tiefen Zug: »Nein, mit Vögeln befasse ich mich nicht. Die Herren können sich das wohl denken.« Er schlägt auf den Tisch. »Verzeihung. Aber mir läuft immer die Galle über, wenn ich an diese alte Jungfer mit dem Zeisig denke. Der Mensch sollte niemals auf sein Herz hören. Ich nehme alles herein, Silber, Ferngläser, auch Kleidung, wenn sie wenig getragen ist, aber Vögel, nein.« Trotzig wirft er den Kopf hoch, bläst eine große Qualmwolke vor sich hin und fächert sie mit der Hand auseinander. »Nein und nein.«
    Im Zimmer wird es dunkler. Auf der Straße hat der Wind eine Staubwolke aufgewirbelt, das Zwielicht, Vorbote des Gewitters, breitet sich im Raum und vor dem Fenster aus. Ábel kann sich der Fliegen kaum erwehren, und der würgende Mief im Zimmer dreht ihm den Magen um. Flehend sieht er zu Tibor hin. Der Pfandleiher nimmt mehrmals einen Schluck, ihm geht wohl noch immer der Vogel durch den Kopf; die Erinnerung daran hat ihn sehr erregt, denn er trommelt nervös mit den Fingern auf den Tisch, brummt und knurrt. Beißender, doch geradezu erfrischender Naphthalingeruch legt sich über die Gegenstände und überlagert den üblen Essensgeruch.
    »Wir sind wegen des Silbers gekommen, Herr Havas«, sagt Tibor in die schwüle Stille hinein.
    Sie schweigen mit angehaltenem Atem. Der Pfandleiher läßt seinen Blick im Zimmer herumwandern, als suche er einen Anhaltspunkt, irgendein Erkennungszeichen, das ihm über den tieferen Sinn des Gehörten Aufklärung verschafft.
    »Wegen des Silbers?« fragt er. »Welches Silber?«
    Tibor holt seine Geldbörse hervor und überreicht den Pfandschein. »Es ist unser Familiensilber, Herr Havas«, fügt er eifrig hinzu. »Ich muß es Ihnen sagen. Vater hängt sehr daran. Aus dem Grund sind wir gekommen.«
    »Aber das ist doch längst abgelaufen, meine Herren«, sagt der Pfandleiher. »Ganz ordnungsgemäß. Schon seit einem Monat.«
    »Wir dachten...«, sagt Tibor und gerät ins Stocken. »Hat Amadé Ihnen nichts gesagt?«
    Havas steht auf und bleibt mit dem Schein in der Hand stehen: »Amadé?« sagt er. »Die Herren meinen den Ballettmeister? Nein, er hat nichts gesagt. Die Herren wissen es vielleicht noch nicht?«
    »Was, Herr Havas?« fragt Tibor. Auch er steht auf und tut einen Schritt auf den Pfandleiher zu.
    »Oh!« sagt der überrascht. »Ich dachte, Sie wissen es. Er ist zu Mittag abgereist. Auf Nimmerwiedersehen. Am Vormittag war er noch da, um sich zu verabschieden.«
    »Mit Schauspielern ergeht es einem meistens so«, sagt Havas kopfschüttelnd, tritt ans Fenster und prüft den Schein sorgfältig. »Der ist leider abgelaufen. Familiensilber? Vielleicht sogar altes, kostbares Silber? Wir zahlen immer nur den reinen Silberwert, den Kunstwert können wir nicht berücksichtigen. Aber es wundert mich, daß er sich von den Herren nicht verabschiedet hat. Denn soviel ich

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