Die jungen Rebellen
auf sein verrücktes Herz, und bei ihm ist alles … Ich kann schweigen wie ein Grab.«
»Bis morgen abend?« fragt Tibor. »Wird gemacht, Herr Havas, auf jeden Fall. Doch um Gottes willen, wie sagten Sie? Was heißt denn, daß Amadé uns verdorben hat? Daß man uns gesehen hat? Es war doch nur ein Spiel, Herr Havas. Ich kann doch nichts dafür … überhaupt, für nichts kann ich.« Er fängt an zu zittern. »Herr Havas, um Gottes willen, was ist das für eine Anzeige, was redet man, was ist geschehen?«
»Ich bitte den jungen Herrn, mir keine Fragen zu stellen, die zu beantworten ich nicht in der Lage bin. Gestatten Sie mir, daß ich mit einer Antwort diene, die ich für angemessen halte. Für angemessen halte ich, daß ich den jungen Herren die Situation erläutere. Was der Schauspieler gemacht hat? Ob die jungen Herren schuldig sind? Das kann ich nicht beantworten. Selbst wenn sie das gemacht haben, wovon die Anzeige spricht, bleibt für mich immer noch fraglich, ob sie schuldig sind.«
Sein Gesicht können sie jetzt nicht mehr sehen. Aus dem Halbdunkel kommt nur noch seine Stimme zu ihnen, gewichtig, stockend und mit dumpfem Dröhnen, zeitweise wie unheilvolles Brummen: »Man weiß nie, wo und wann der Teufel in den Menschen hineinfährt. Vielleicht erlauben Sie mir, daß ich mit einem Exempel diene. Die jungen Herren werden schweigen. Sie haben allen Grund zu schweigen. Und ich diene gern mit diesem Exempel, weil es erforderlich ist, damit sie das Leben begreifen. Ich wiederhole, es ist nicht so einfach. Nehmen wir irgendeinen beliebigen Menschen. Sagen wir er ist verheiratet, hat eine Tochter. Er betreibt ein florierendes Pfandhaus in einer Stadt, doch der Satan schleicht sich bei ihm ein; der Mensch ist ein großer Esser und Trinker, läuft jedem Rock hinterher. Er braucht Geld, und als ob der Teufel seine Hand führen würde, gelingt ihm alles, was er anfaßt; er wird übermütig, fährt nach Lemberg, liefert dem Armeekorps die Seife. Das Geschäft in der Tasche, unterläuft ihm ein Fehler. Im Geschäftsleben kommt es leider vor, daß man Fehler macht. Da ist der Teufel dazwischengefahren. Er bekommt vier Monate. Liegt auf der Pritsche, tauscht die ausgesuchten Speisen gegen Krankenkost ein, zwei Semmeln und ein Liter Milch am Tag für einen Fleischesser, einen starken Fleischesser. Er ist die Nummer 137, sitzt und liegt vier Monate in der Zelle, hadert mit dem Teufel und versteht es nicht. Belieben Sie sich vorzustellen, der Kübel, der den leiblichen Bedürfnissen dient, steht in der Zelle. Umsonst trinkt er nur Milch, er fühlt sich dennoch wie eine Schnepfe. Und er liegt und sinnt nach, begreift nicht, warum er Nummer 137 in Lemberg sein muß, und er quält sich, weil er ein Lebemann ist, Witwer, die Tochter führt das Geschäft, er schreibt ihr einen Brief: Liebe Tochter, geschäftliche Angelegenheiten zwingen mich, noch etwas zu verweilen, gib acht, mein gutes Kind, schreibe Poste restante, Lemberg, Hauptpost, 137. Vier Monate. So etwas kommt vor.«
Er atmet schwer. Zündet sich die Zigarre wieder an. »Soviel ich weiß, kennen die jungen Herren das Leben von Männern noch nicht. Von Freundesseite wurde ich nämlich dahin gehend informiert. Wie auch immer: Ich muß wiederholen, daß der Betreffende ein Lebemann ist. Ein guter Bissen, ein Schluck Branntwein, und an keinem Rock kommt er vorbei. Vier Monate liegt er verkrampft mit steifen Gliedern. Einmal habe ich am Bahnhof einen Jagdhund gesehen. Er wurde in einer Kiste verschickt, der Frachtbrief war ungenau ausgestellt, so kam der Hund mit einem Tag Verspätung an, und in der ganzen Zeit machte er nicht ein einziges Mal unter sich, mit Verlaub, lieber ertrug er die Krämpfe, und als er ankam, mußte man ihn herausheben, der Tierarzt hat ihm das Wasser abgenommen. Stellen Sie sich da die Situation eines Menschen vor. Er kommt endlich heraus, es ist Ende Oktober, nachmittags, benommen winkt er einen Kutscher herbei und sagt: Bring mich ins beste Haus, das erste Haus am Platze, sofort. Es regnet. Er nimmt den Hut ab, so sitzt er im Wagen, hält das Gesicht in den Regen, warum regnet es nicht heftiger, gießen soll es, denkt er und leckt den Regen mit der Zunge, er hat nicht gewußt, daß Regen so gut schmeckt. Der Wagen rumpelt über das Pflaster, eine Frau bleibt am Straßenrand stehen, hält einen Regenschirm, hat braune Schuhe und schwarze Strümpfe an, das erste weibliche Gesicht seit vier Monaten, er schaut sie an, die Frau lacht und schreit: >E
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