Die Jungens von Burg Schreckenstein
Fachsimpelei gerieten, die mit dem Beschluß endete, eine Kapelle zu gründen.
Es war eine seltsame Zeit, ganz anders als vor den Ferien. Hatte sich damals alles um Stephan gedreht, das heißt um seine Erziehung zum Ritter, so war es jetzt merkwürdig ruhig. Trotz Akkordeon wußten die Kameraden nicht, woran sie mit ihm waren, und hielten sich deshalb zurück. Sie waren, als sie ihm gerade glauben wollten, durch seine Lauscherei an der Tür enttäuscht worden. Die Wahrheit aber konnte er ihnen nicht sagen. Jetzt noch nicht.
Und was tat Dampfwalze?
„Zeig ihm, daß du nicht sein Feind bist!“ erinnerte sich Stephan an die Worte vom Rex und richtete sich danach.
Ich darf nicht auffallen und muß ganz bescheiden sein, dachte er. Dampfwalze schien nach seiner Blamage bei der letzten Schulversammlung ähnlich zu denken. Auch er vermied jegliche Auseinandersetzung. Beim Kugelstoßen beispielsweise taten beide so, als übten sie nur die Drehung der Schulter. Keiner stieß auf Weite. Sie umschlichen einander mit der scheinbaren Absichtslosigkeit zweier Männer, von denen jeder den anderen für einen Detektiv hält.
Der Rex hatte mit seiner Befürchtung, die Schule könne in zwei Lager gespalten werden, schon recht gehabt. Sie war es bereits. Nur gab es niemand zu, was eigentlich nicht sehr ritterlich war. Keiner wußte, auf welcher Seite der andere stand, und verdächtigte ihn, irgendwelche Heimlichkeiten zu haben. Für Stephan und Ottokar eine verteufelte Erschwerung. Wenn das ’ rauskäme , was sie vorhatten, dann gute Nacht! Sie mußten höllisch aufpassen. Was war inzwischen geschehen? Hatte Mauersäge die Kündigung schon überbracht? Wenn ja, wem? Dem Rex oder dem Bürgermeister? Dem Rex war jedenfalls nichts anzumerken. Und was machte Klinke? Während der Ferien hatten sie mit ihren Eltern verreisen müssen und somit keine Gelegenheit gehabt, sich um ihn zu kümmern. Ottokar wußte lediglich von seinem Vater, daß der Fette sein Personal sehr schlecht bezahlte.
Nächtelang berieten Stephan und Ottokar in einem engen Raum unter der Treppe, ohne jedoch zu einem Entschluß zu kommen. Sie taten das so gründlich, daß ihr fortwährendes Gähnen im Unterricht bereits auffiel. Solange Klinke nicht zu Mauersäge kam, war eigentlich gar nichts zu machen. Aber Klinke kam nicht, und Mauersäge führte leider keine Selbstgespräche. Die Lage war fast aussichtslos.
„Lange können wir so nicht weitermachen!“ stellte Ottokar niedergeschlagen fest.
„Und ich darf mich nicht so zurückziehen, das fällt erst recht auf“, antwortete Stephan.
Ottokar feuerte ein Schulbuch in die Ecke und stand auf:
„Überhaupt ist gar kein Schwung mehr in dem Laden!“
„Dagegen läßt sich etwas tun!“ meinte Stephan wieder zuversichtlich und — gesagt, getan, er unternahm auch etwas, das half. Er gründete die Schreckensteiner Jazzkapelle. Strehlau am Klavier, Hans-Jürgen auf der Flöte und er selbst mit dem Akkordeon. Eine ganz moderne Besetzung. Jeden Tag wurde geübt. Aber Musik stimmt nicht nur fröhlich, sie ist auch ansteckend, und so kam Rolle noch dazu. Er verstand sich auf die Baßgeige und lieh sich bei einem Freund in Neustadt ein solches Instrument aus. Ein Lehrer in der Kapelle, das war eine Wucht, zumal der Baß als Rhythmusinstrument doch sehr gefehlt hatte. Aber jetzt waren sie komplett und spielten wie die Wilden. Natürlich mußten sie auch einen Namen haben und als Jazzkapelle möglichst einen englischen. Dafür war Hans-Jürgen, der Dichter, zuständig. Horror = der Schrecken und Rock = der Fels, der Stein, übersetzte dieser sehr frei das Wort Schreckenstein, und dabei blieb es auch: „Horror-Rock-Jazz-Band“!
Das Musizieren machte derart Spaß, daß jede Gelegenheit dazu wahrgenommen wurde. Eine besonders schöne bot sich an Gießkannes Geburtstag. Die Musikanten standen morgens etwas früher auf und schlichen, mit ihren Instrumenten bewaffnet, vor die Tür des Geburtstagskindes. Den schweren Flügel aus dem Wohnzimmer hatten sie vorsichtshalber schon am Tag vorher in die Nähe geschafft. Kurz vor dem Wecken klopfte Stephan viermal mit dem Fuß, und in fortissimo hallte alsbald der „Jäger aus Kurpfalz“ durch die Burg. Und was das tollste daran war — im Jazzrhythmus! Es machte einen Heidenspaß. Stephan erging sich in besonders „schrägen“ Harmonien, Hans-Jürgen blies einen sehr verwegenen Chorus, Rolle zupfte, was die Finger hergaben, und Strehlau war überhaupt nicht wiederzuerkennen.
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