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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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dauernd über die Reling. Sinjun konnte das meiste von dem verstehen, was um sie herum gesprochen wurde, aber es war kein Englisch, sondern eine Sprache mit langgezogenen singenden Lauten, die melodisch und zugleich primitiv klangen.
    Sie setzte die Unterhaltung mit ihrem Mann nicht fort. Zumindest bemühte er sich genauso wie sie selbst, liebenswürdig zu sein. Am liebsten hätte sie ihn verprügelt. Trotzdem betrachtete sie fasziniert sein schönes Profil. Die schwarzen Haare waren von der leichten Brise zerzaust, und er hielt sein Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne entgegen und machte den ausgeglichenen Eindruck eines Menschen, der sich freut, wieder zu Hause zu sein. Als eine Möwe laut krächzend dicht an ihm vorbeiflog, warf er den Kopf zurück und lachte glücklich.
    Sinjun reckte trotzig das Kinn, um gegen ihr plötzliches Heimweh anzukämpfen. Sie atmete die Meeresluft ein, den fast überwältigenden Geruch nach Fisch, nach Menschen und Pferden, und sie betrachtete die Seeschwalben, Möwen und Austernfischer, die den Prahm umschwirrten, in der Hoffnung, von den Passagieren gefüttert zu werden.
    »Wir reiten noch heute nach Vere Castle«, sagte Colin. »Das dauert höchstens drei Stunden, und bei diesem sonnigen Wetter müßte es richtig Spaß machen. Das heißt — glaubst du, daß du es schaffst?«
    »Selbstverständlich. Du weißt doch, daß ich eine ausgezeichnete Reiterin bin.«
    »Ja, aber ich meinte nur . . . ich dachte . . . äh . . . daß du vielleicht zu wund zum Reiten bist.«
    Sie wandte sich ihm langsam zu. »Du hörst dich so an, als wärest du mit dir sehr zufrieden.«
    »Du hörst offenbar nur, was du hören willst, sonst müßtest du merken, daß ich keineswegs zufrieden bin, sondern mir Sorgen um dich mache.«
    »Ich bleibe dabei, daß du dich selbstzufrieden anhörst, aber lassen wir das, Colin. Was würdest du denn machen, wenn ich sage, daß ich viel zu wund zum Reiten bin? Eine Tragbahre mieten? Mir ein Schild um den Hals hängen, daß ich nicht reiten kann, weil man mich zu oft gepflügt hat, wie ein überbeanspruchtes Gerstenfeld?«
    »Kein allzu passender Vergleich, finde ich. Nein, ich würde dich vor mir auf mein eigenes Pferd setzen, und meine Oberschenkel hätten die Wirkung von Kissen, die den Schmerz lindern.«
    »Danke, Colin, aber ich möchte lieber selbst reiten.«
    »Wie du willst, Joan.«
    »Am liebsten wäre ich sowieso noch eine Weile in Edinburgh geblieben.«
    »Zu diesem Thema hast du dich schon ausführlich geäußert, und ich habe dir doch erklärt, warum wir die Stadt so schnell verlassen haben. Ich möchte nicht, daß du Gefahren ausgesetzt bist. In Vere Castle wirst du in Sicherheit sein, und ich kann dann beruhigt nach Edinburgh zurückkehren. Es gibt für uns beide sehr viel zu tun.«
    »Ich habe keine große Lust, mit Menschen, die ich noch nicht kenne, allein gelassen zu werden.«
    »Du bist doch die Haushälterin, und wenn dir etwas mißfällt, kannst du nach meiner Rückkehr mit mir über eventuelle Änderungen sprechen. Du kannst sogar Listen aufstellen, die ich mir aufmerksam ansehen werde.«
    »Das hört sich so an, als wäre ich dein Kind, nicht deine Frau. Kann ich beispielsweise einen Dienstboten, der faul oder aufsässig ist, selbst entlassen, oder muß ich ihn auf die Liste setzen, damit der Herr und Meister sein Urteil fällen kann?«
    »Du bist die Gräfin von Ashburnham.«
    »Aha, aber was beinhaltet das, abgesehen vom Erstellen von Listen und eventuellen Plädoyers für erwünschte Änderungen?«
    »Du stellst absichtlich provozierende Fragen, Joan. Schau mal — eine Schnepfe. Bei euch an der englischen Küste nennt man sie Strandläufer.«
    »Was du nicht alles weißt! Ist dir auch bekannt, daß Strandläufer einen schwarzen Streifen am Bauch bekommen, wenn sie sich paaren wollen? Nein? Nun, offenbar ist Oxford auch nicht mehr das, was es einmal war. Aber vielleicht war es auch deine Schuld, weil du zuviel Zeit damit verbracht hast, im Gasthof von Chipping Norton irgendwelche Damen zu vögeln.«
    »Du hast ein sehr schlechtes Gedächtnis. >Vögeln< ist ein vulgärer Ausdruck, den du wirklich nicht in den Mund nehmen solltest. Und deine Zunge ist so scharf, daß du Gefahr läufst, über Bord geworfen zu werden.«
    Sie ließ sich durch diese Drohung nicht einschüchtern. »Der einzige Punkt auf meiner Wunschliste ist für dich leicht zu erfüllen. Ich will dich nach Edinburgh begleiten. Immerhin bin ich deine Frau — trotz

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