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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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nervös im Sattel hin und her. »Die Kleinbauern haben im Winter tatsächlich manchmal ihre Tiere in den Häusern. Aber wir nicht.«
    »Weißt du, Colin«, sagte sie sanft, »wenn ich wirklich ein Rattenloch erwartet hätte, so würde das doch nur beweisen, wie gerne ich dich heiraten wollte.«
    Er sah verdutzt drein, öffnete den Mund und schloß ihn wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Bevor sie jedoch den Blick abwandte, fiel ihm plötzlich auf, wie erschöpft sie aussah, und das war zumindest etwas Greifbares, etwas, wo er einhaken konnte. »Himmelherrgott nochmal!« fluchte er wütend, »warum hast du mir nicht gesagt, daß du Schmerzen hast? Du hast mir das absichtlich verheimlicht. Dein Eigensinn übersteigt wirklich alle Grenzen, Joan, und ich werde das nicht dulden, hast du mich verstanden?«
    »Oh, sei doch still! Mir geht es ausgezeichnet. Ich möchte . . .«
    »Halt den Mund, Joan. Du siehst so aus, aus würdest du jeden Moment vom Pferd fallen. Hast du dich wund gerieben?«
    Sie wußte, daß sie keine Minute länger im Sattel bleiben konnte, stieg vorsichtig ab und lehnte sich an das Pferd, bis der Schmerz soweit nachließ, daß sie wieder sprechen konnte.
    »Ich werde zu Fuß gehen, Colin. Es ist so schönes Wetter, und ich möchte an den Gänseblümchen schnuppern.«
    »Hier gibt es keine Gänseblümchen.«
    »Dann eben Krokusse.«
    »Hör auf, dummes Zeug zu reden, Joan.« Fluchend sprang er vom Pferd.
    »Bleib mir vom Leibe.«
    Er blieb etwa einen Meter von ihr entfernt stehen. »Ist dies das Mädchen, das in der Eingangshalle des Hauses seines Bruders unbedingt von mir geküßt werden wollte? Das im Theater einfach mit ausgestreckter Hand auf mich zukam und mir kundtat, es sei eine reiche Erbin? Ist dies das Mädchen, das mich ständig zu überreden versuchte, es doch auf der Stelle zu entjungfern? Wo ist nur dieses Mädchen geblieben?«
    Sinjun gab darauf keine Antwort. Sie machte einen Schritt vorwärts, taumelte aber vor Schmerz.
    Colin packte sie am Arm und drehte sie zu sich herum. Ihr schmerzverzerrtes Gesicht ließ ihn auf weitere Strafpredigten verzichten. Er nahm sie sanft in die Arme. »Ruh dich ein bißchen aus«, murmelte er, »und dann mußt du mir erlauben, dich zu mir aufs Pferd zu setzen.« Er drückte ihr Gesicht an seine Schulter, und sie atmete seinen Geruch ein.
    Wie eine Märchenprinzessin, die vom Prinzen in sein Schloß gebracht wird, erreichte sie ihr neues Zuhause in den Armen ihres Mannes, doch im Gegensatz zu jenen hinreißenden Prinzessinnen machte sie — wie ihr durchaus bewußt war — in ihrem zerknitterten und staubigen Kostüm keinen vorteilhaften Eindruck.
    »Schscht, nicht versteifen«, sagte er leise, und sie spürte seinen warmen Atem an ihrer Wange. »Ich glaube einfach nicht, daß du Angst hast — du doch nicht, eine Sherbrooke von Northcliffe Hall. Alle werden dich herzlich willkommen heißen und als Herrin akzeptieren.«
    Sie schwieg, während sie unter dem Baldachin aus grünem Laub dahinritten, den die Bäume beiderseits der Auffahrt bildeten. Am Straßenrand tauchten immer mehr Männer, Frauen, Kinder und Tiere auf, um Colin freudig zu begrüßen. Einige Männer warfen ihre Mützen in die Luft, Frauen schwenkten ihre Schürzen, und räudige Hunde umsprangen kläffend Colins Pferd, das sich aber nicht aus der Ruhe bringen ließ. Nur einer Ziege, die an einem Stück Schnur kaute, schien es völlig egal zu sein, daß der Herr wieder heimgekehrt war.
    »Alle wissen, daß du die reiche Erbin bist, die sie vor dem Hungertod oder der Emigration bewahren wird. Vielleicht sollte ich verlautbaren lassen, daß nicht ich dich gefunden habe, sondern umgekehrt. Dann würden sie dich mit Sicherheit hochleben lassen. MacDuff müßte eigentlich hier sein. Ich wollte, daß du bei der Ankunft wenigstens ein bekanntes Gesicht siehst.«
    »Danke, Colin, das ist nett von dir.«
    »Wirst du ein kleines Stück gehen können?«
    »Selbstverständlich«, erwiderte sie arrogant.
    Er lächelte über ihren Kopf hinweg. Mut konnte man ihr wirklich nicht absprechen. Nun, den würde sie auch dringend brauchen.
    Sinjun erwachte im milden Abendlicht und wußte im ersten Moment nicht, wo sie war. Dann kehrte die Erinnerung zurück, und sie mußte sich mit der Tatsache auseinandersetzen, daß Colin ihr etwas verschwiegen hatte, was von größter Bedeutung für ihr Leben hier in Vere Castle sein würde. Sie schüttelte fassungslos den Kopf, aber es hatte wenig Sinn, in seiner Abwesenheit vor

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