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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Stunden, um zum Schloß zurückzufinden. Trotzdem hatte sie das Gefühl, die Zeit durchaus sinnvoll verbracht zu haben. Sie hatte fünf Pächterfamilien kennengelernt und fünf verschiedene Sorten Apfelwein getrunken. Ein Mann namens Freskin konnte schreiben und besaß deshalb eine Feder und Papier, so daß sie sich alle Namen und die notwendigsten Anschaffungen und Reparaturen notieren konnte. Sie hatten zu wenig Korn, berichtete Freskin, und Sinjun sah seiner Frau die Angst vor Hunger an. Sie brauchten auch eine Kuh und einige Schafe, aber das Korn war am wichtigsten.
    Falls jemand — ob Mann, Frau oder Kind — sie bedauerte, weil sie nur wegen ihres vielen Geldes geheiratet worden war, so waren sie höflich genug, es nicht zu äußern. Sinjun verstand den hiesigen Dialekt immer besser, und sie lernte auch neue Wörter, beispielsweise Sweetie, was soviel wie Klatschbase bedeutete und auf Freskins Frau durchaus zutraf.
    Da es ein wunderschöner Tag war, ließ sie die Stute über die sanften Hügel und durch die Nadelwälder traben, schöpfte mit den Händen Wasser aus dem Loch Leven und wunderte sich, wie eiskalt es war, geriet um ein Haar in ein Torfmoor und wanderte ein Stück über ödes Heideland, das Pferd am Zügel. Alles in allem war sie beim Nachhausekommen müde und zufrieden.
    Vere Castle kam ihr auch jetzt wieder wie ein Märchenschloß vor, und sie notierte sich im Geist, unbedingt Stoff für Fahnen zu kaufen, die auf den vier Türmen wehen sollten. Vielleicht könnte sie sogar irgendein schönes junges Mädchen mit langen goldenen Haaren finden, das bereit war, Rapunzel zu spielen.
    Singend näherte sie sich dem Haus und entdeckte Philip in der Nähe der schweren Eichentür; vermutlich hatte er schon lange nach ihr Ausschau gehalten.
    »Na, Master Philip, du hast mich ja ganz schön hereingelegt! Warte nur, bis ich dich zu einem Besuch nach Südengland mitnehme, in meine Heimat. Dann setze ich mich mitten in den Ahornwäldern ab und lasse dich allein. Aber ich werde immer Brotkrumen ausstreuen, damit du nach Hause findest.«
    »Ich wußte, daß du zurückkommst.«
    »Natürlich. Schließlich lebe ich hier.«
    Philip trat mit seinem abgetragenen Schuh nach einem Stein. »Nächstes Mal werde ich es besser machen.«
    Sie zauste ihm lächelnd die dichten schwarzen Haare, die er von seinem Vater geerbt hatte. »Ich zweifle nicht daran, daß du dein Bestes versuchen wirst, aber meinst du nicht, daß du dich lieber mit mir abfinden solltest? Ich bleibe nämlich hier.«
    »Dahling hat recht. Du bist häßlich.«
    Sinjun lag im Bett und starrte im Dunkeln zur Decke hinauf. Colin war nun schon seit über einer Woche fort und hatte nichts von sich hören lassen. Sie machte sich Sorgen, war aber zugleich wütend auf ihn. Die Tudorräume waren tadellos instandgesetzt, und von ihren knapp zweihundert Pfund war fast nichts mehr übrig. Sie fühlte sich versucht, nach Edinburgh zu reiten, einerseits, um ihren Mann aufzuspüren, andererseits, um weiteres Geld zu besorgen. Die Leute, die so fleißig für sie arbeiteten, sollten sich nicht mit bloßen Versprechungen zufriedengeben müssen.
    Die Zimmerleute waren jetzt so weit, Colins Nordturm in Angriff zu nehmen. Vielleicht sollte sie damit doch lieber warten und ihrem Mann gestatten, die Reparaturen selbst zu überwachen? Nein, er hatte dieses Vergnügen nicht verdient! Sie drehte sich auf die Seite, wälzte sich aber gleich darauf wiederauf den Rücken und seufzte tief.
    Sie hatte heute die ersten Besucher empfangen, einen Viscount und dessen Frau, die sich die neue Gräfin ansehen wollten.
    Zufällig hatte sie gehört, wie Tante Arleth den Gästen ihr Leid klagte. »Es ist eine schwere Bürde für uns alle, Louisa. Sie mag eine reiche Erbin sein, aber sie ist sehr schlecht erzogen und hat überhaupt keinen Respekt vor Höhergestellten. Sie hört nicht auf mich und kommandiert nur alle herum.«
    Sir Hector MacBean hatte sich währenddessen erstaunt und sehr wohlwollend umgesehen. »Sie bewirkt damit aber offenbar eine ganze Menge, Arleth. Alles ist blitzblank, und schau dir nur den Kandelaber an, Louisa! Ich hatte immer Angst, daß dieses Ungetüm mich unter sich begraben könnte. Jetzt scheint er an einer neuen Kette zu hängen und funkelt prächtig.«
    Das war für Sinjun das Stichwort gewesen, die Röcke ihres einzigen Kleides zurechtzuzupfen und die Gäste mit einem strahlenden Lächeln zu begrüßen.
    Später hatte Philpot in seiner neuen schwarz-weißen Livree

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