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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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köstliche Äpfel im Schlafrock serviert, untadelig höflich und in geradezu fürstlicher Haltung.
    Tante Arleth saß mit verkniffener Miene da und konnte nur stumm nicken, als Sinjun sagte: »Diese Eiercreme der Köchin ist wirklich ein Gedicht. Findest du sie nicht auch köstlich, Tante?«
    Die MacBeans waren sehr sympathisch, und sie schienen Colin wirklich gern zu mögen. Als sie sich verabschiedeten, lächelte Lady Louisa Sinjun zu, tätschelte ihr den Arm und sagte leise: »Sie sind offenbar ein tüchtiges Mädchen. Hier in Vere Castle ist vieles sehr seltsam, und natürlich kursieren alle möglichen Gerüchte, aber ich kann mir gut vorstellen, daß Sie Ordnung schaffen und das Gerede einfach überhören, was ja auch am vernünftigsten ist, da es sich nur um lächerlichen Unsinn handelt.«
    Sinjun dankte Lady Louisa, obwohl sie nicht so recht wußte, welche Gerüchte gemeint waren.
    Während sie dem Ehepaar von der Freitreppe zuwinkte, zischte Tante Arleth: »Du glaubst, du seist etwas Besseres als wir alle, aber Louisa hat dich bestimmt durchschaut und wird allen erzählen, daß du ein Emporkömmling bist, eine unkultivierte Neureiche, die . . .«
    »Tante Arleth, ich bin die Tochter eines Grafen, und ich habe nicht die geringste Lust, mir deine Kränkungen weiter anzuhören. Ich habe nämlich viel zu tun.« Sie entfernte sich, bevor Arleth etwas entgegnen konnte. »Dahling, komm her! Wir müssen dir ein Kleid anprobieren, Liebling.«
    Letzte Nacht hatte Sinjun in ihrem Bett eine lange schwarze Schlange gefunden, die verzweifelt nach einem Versteck suchte. Grinsend hatte sie das arme Tier um den Arm geschlungen, es nach unten getragen und im Garten ausgesetzt.
    Sie fragte sich, was die Kinder wohl für diese Nacht ausgeheckt hatten, und sie brauchte nicht lange zu warten. Ihr wurde eine Wiederholung der Gespenst-Vorführung geboten. Philip und Dahling waren wirklich schauspielerisch begabt, und Sinjun rief mit zittriger Stimme in die Dunkelheit hinein: »Oh, du schon wieder! Verlaß mich, o Geist, bitte verlaß mich!«
    Kurz danach verschwand das Gespenst, und Sinjun hätte schwören können, daß sie ein leises Kichern hörte.
    Colin rief schon auf der Freitreppe nach ihr. »Joan!«
    Statt dessen wurde er von Philip und Dahling begrüßt. Das Mädchen umklammerte sein Bein und schrie, Sinjun sei gemein, häßlich und grausam.
    Philip schwieg zunächst. Colin umarmte beide Kinder und fragte, wo Joan sei.
    »Joan?« wiederholte Philip mit krausgezogener Stirn. »Die ist überall zur gleichen Zeit. Sie macht alles mögliche und gönnt niemandem eine Ruhepause. Es ist unerträglich, Papa.«
    Dann tauchte Tante Arleth auf und zischte ihm ins Ohr, das Mädchen, das er gezwungenermaßen geheiratet habe, kommandiere alle herum und ruiniere alles, und was er zu tun gedenke. Nun fehlte nur noch Serena, und die setzte sich im nächsten Moment ebenfalls groß in Szene, indem sie ihm betörend zulächelte, sich auf die Zehenspitzen stellte und ihn auf den Mund küßte. Bestürzt trat er einen Schritt zurück.
    »Ich bin so froh, daß du wieder zurück bist«, sagte sie mit ihrer sanften Stimme, und Colins Brauen hoben sich.
    »Dahling, laß mein Bein los! Philip, bring deine Schwester weg, irgendwohin! Arleth, einen Augenblick bitte. Wo ist Joan?«
    »Hier bin ich, Colin.«
    Sie lief die breite Treppe hinab, und er bemerkte, daß sie ein neues Kleid trug, ein schlichtes hellgelbes Kleid, das auch einem Dorfmädchen hätte gehören können, aber an Joan sah es sehr elegant aus. Er hatte sie vermißt und mehr an sie gedacht, als ihm lieb war. Um sie wiederzusehen, war er nach Hause gekommen, obwohl es für ihn noch einiges zu erledigen gegeben hätte. Ja, dachte er, sie sieht wirklich reizend aus. Er konnte es kaum erwarten, ihr dieses Kleid auszuziehen, sie zu küssen und ihren Körper in Besitz zu nehmen. Dann stiegen ihm fast vergessene Gerüche in die Nase, und er vergaß schlagartig seine schönen Phantasien. Bienenwachs und Zitronen. Obwohl er wußte, daß es unmöglich war, glaubte er plötzlich, seine Mutter vor sich zu sehen.
    Er blickte sich erstaunt um und traute seinen Augen kaum. Alles strahlte vor Sauberkeit, und er wunderte sich, daß er den Schmutz in den letzten Jahren gar nicht bemerkt hatte.
    Der Kandelaber sah aus wie neu, und im Marmorboden konnte man sich spiegeln. Leicht benommen betrat er den Salon und das angrenzende Eßzimmer. Neue Vorhänge, die den alten fast aufs Haar glichen, und die Teppiche

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