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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Zweifel ziehen, und dann würden sie gemeinsam entscheiden, was zu tun war.
    Vere Castle
    Philip schlich sich um zehn Uhr abends aus dem Haus. Seine Sorge um Sinjun ließ wenig Raum für Furcht. Er erreichte die Stallungen, ohne daß George II Laut gegeben hätte, denn er hatte den Hund gerade noch rechtzeitig hinter den Ohren gekrault, sattelte sein Pony Bracken und führte es vorsichtshalber ein ganzes Stück weit am Zügel, bevor er aufstieg und losgaloppierte. Ein langer Ritt lag vor ihm, aber er wußte, daß er es schaffen konnte, und betete nur, daß die Hilfe nicht zu spät kommen würde.
    Er hatte überlegt, ob er Dulcie in sein Vorhaben einweihen sollte, befürchtete aber, daß sie es nicht schaffen würde, den Mund zu halten. Statt dessen hatte er sie gähnend und scheinbar sehr schläfrig gebeten, nach seiner Stiefmutter zu sehen, ihr Wasser zu trinken zu geben und sie mit möglichst vielen Decken warmzuhalten.
    Dulcie hatte es ihm versprochen, und nun konnte er nur hoffen, daß Tante Arleth das Kindermädchen nicht auf frischer Tat ertappen und wegjagen würde.
    Die dunklen Regenwolken der vergangenen Tage hatten vereinzelten weißen Wölkchen Platz gemacht, die weder den Halbmond noch die Sterne verhüllten, so daß er ganz gut sehen konnte.
    Als er hinter sich Hufgetrappel hörte, bekam er rasendes Herzklopfen, führte Bracken rasch in das dichte Unterholz neben der Straße und hielt dem Pony die Nüstern zu, damit es nicht wiehern konnte.
    Drei Männer kamen angeritten, und bald konnte er ihre Unterhaltung deutlich verstehen.
    »Ja, 'n bißchen bekloppt is sie schon, aber ich nehm sie trotzdem.«
    »Nee, nee, sie gehört mir, du Blödmann! Ihr Alter hat sie mir versprochen, und der Herr is auch einverstanden, daß wir's Aufgebot bestellen.«
    Ein dritter Mann lachte laut und triumphierend, spuckte verächtlich aus und rief: »Ha, ihr zwei Dämlacke, ihr guckt beide in den Mond, weil ich sie nämlich schon längst gefickt habe. Ich werd's unserem Herrn sagen, und dann gehört sie mir. Und ich verrat euch was, Jungs — das Weibsbild hat wirklich tolle Titten!«
    Der Streit artete in Handgreiflichkeiten aus, begleitet von Schreien, Flüchen und dem nervösen Wiehern der Pferde. Philip stand schreckensstarr da und hoffte inbrünstig, daß der stärkste Mann die beiden anderen möglichst bald zum Teufel jagen werde.
    Nach etwa zehnminütigem Kampf fiel ein Schuß, dicht gefolgt von einem gellenden Schrei und einer kurzen unheimlichen Stille.
    »Verdammt, du hast Dingle umgebracht, du Vollidiot!«
    »Ja, aber er hat's nich besser verdient, weil er sie gefickt hat.«
    »Und wenn sie nun schon sein Balg im Bauch hat?« brüllte der andere Mann. »Du bist schon 'n selten dummes Arschloch, Alfie! Ich möcht nicht in deiner Haut stecken, wenn MacPherson das erfährt!«
    »Wir sagen einfach kein Wort nich. So'n verfluchter Kinross hat'n umgelegt. Nichts wie weg hier! Los!«
    Sie ließen den dritten Mann zurück. Philip band Bracken an einer Eibe fest und schlich sich zur Straße. Der Mann lag auf dem Rücken, mit weit von sich gestreckten Armen und Beinen, einen großen roten Fleck auf der Brust. Seine Augen waren schreckensweit aufgerissen, die Zähne gebleckt. Er war tot.
    Philip übergab sich, rannte zu seinem Pony und galoppierte davon. Er hatte den Mann erkannt. Der Kerl hieß Dingle und war einer der schlimmsten Schläger im Dienst der MacPhersons. Sein Vater hatte ihm diesen Dingle einmal gezeigt und gesagt, der Bursche sei ein Kretin, aber leider typisch für die Männer der MacPhersons.
    Um vier Uhr morgens war Philip auf der Fähre nach Edinburgh, nach einem Ritt, der ihn genauso erschöpft hatte wie sein Pony. Von den Shillingen, die er der Geldkassette seines Vaters entnommen hatte, blieb ihm nur noch ein einziger, nachdem er die Überfahrt bezahlt hatte. Kurz nach sechs hämmerte er an die Tür des Hauses am Abbotsford Crescent, das er eine gute Stunde gesucht hatte, zuletzt den Tränen nahe.
    Angus öffnete gähnend die Tür und starrte den kleinen Jungen mit offenem Mund an.
    »Du meine Güte, der junge Herr! Na, das gibt 'ne Überraschung für den Grafen. Wer hat dich denn begleitet, Junge?«
    »Schnell, Angus! Ich muß sofort zu meinem Vater!« Er schob den alten Diener einfach beiseite, rannte die Treppe hinauf und stürzte ins Schlafzimmer seines Vaters, wobei die Tür so weit aufflog, daß sie gegen die Wand prallte.
    Colin fuhr sofort aus dem Schlaf. »Mein Gott, Philip! Was zum Teufel tust

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