Die Jungfernbraut
verstanden?«
»Ja.«
»Gut. Ich werde dich jetzt stützen, und ich will, daß du trinkst. Verstanden?«
Sie brachte ein Nicken zustande, und dann fühlte sie einen starken Arm im Rücken, und ein kaltes Glas berührte ihre Lippen. Sie trank und trank, und das Wasser war Ambrosia. Es lief ihr über das Kinn und durchnäßte ihr Nachthemd, aber sie war so schrecklich durstig, daß ihr nichts etwas ausmachen konnte, solange ihr nur dieses köstliche Wasser durch die Kehle rann.
»So, genug für den Moment. Hör mir zu. Ich werde dich jetzt waschen, damit das Fieber sinkt. Verstanden? Du hast viel zu hohes Fieber, und ich muß es senken. Aber du wirst nicht wieder einschlafen. Sag mir, daß du mich verstanden hast.«
Aber sie kam nicht dazu, denn eine schrille Frauenstimme kreischte plötzlich: »Ich wollte diesen alten Narren von Childress auch gerade holen lassen, als du kamst, Colin. Es ist nicht meine Schuld, daß sie auf einmal kränker wurde. Davor war sie fast gesund, ich schwör's dir!«
Sinjun stöhnte. Sie fürchtete sich vor dieser Frau, sie wollte sich verstecken, sich möglichst klein machen. Der schöne Mann, der kein Engel war, sagte mit ganz ruhiger Stimme: »Geh, Arleth! Ich will nicht, daß du dieses Zimmer je wieder betrittst. Geh!«
»Das kleine Luder wird dir Lügen auftischen! Ich kenne dich dein ganzes Leben lang. Du kannst doch nicht gegen mich und für sie Partei ergreifen.«
Sie hörte wieder eine Stimme, aber aus größerer Entfernung. Dann wurde es herrlich still, und plötzlich berührte ein kühles, nasses Tuch ihr Gesicht, und seine Stimme sprach wieder zu ihr, aber diesmal sanft und beruhigend, und er sagte, sie solle ganz ruhig liegenbleiben, und bald werde sie sich etwas besser fühlen. »Vertrau mir«, murmelte er immer wieder, und das tat sie. Er würde die böse Frau von ihr fernhalten.
Sie hörte auch den anderen Mann, den mit der alten sanften Stimme.
»So ist's gut, Mylord. Reiben Sie sie ab, bis das Fieber sinkt, alle paar Stunden. Und lassen Sie sie trinken, soviel sie will.«
Jemand zog ihr das verschwitzte Nachthemd aus, und sie war dankbar dafür, weil sie plötzlich bemerkt hatte, wie klebrig sich ihre Haut anfühlte. Das nasse Tuch glitt über ihre Brüste und über ihre Rippen, und das war herrlich, aber es ging nicht tief genug. Die köstliche Kühle erreichte nicht jene inneren Schichten, wo sie regelrecht glühte, und sie versuchte, ihren Rücken zu wölben, um das Tuch stärker zu spüren.
Der schöne Mann legte ihr die Hände auf die Arme und drückte sie sanft hinunter. »Ganz ruhig. Ich weiß, daß es brennt. Ich hatte ja auch einmal hohes Fieber. Erinnerst du dich noch daran? Damals hatte ich das Gefühl, inwendig lichterloh zu brennen, und nichts konnte diese Glut löschen.«
»Ja«, murmelte sie.
»Ich verspreche dir, nicht aufzuhören, bis der Brand gelöscht ist.«
»Colin!« Sie öffnete die Augen und lächelte ihm zu. »Du bist kein Engel. Du bist mein verdammter Ehemann. Ich bin so froh, daß du hier bist.«
»Ja«, sagte er tiefbewegt, »und ich werde dich nie wieder verlassen.«
Sie versuchte, die Hand zu heben, um sein Gesicht zu berühren und seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es war so wichtig, sich ihm verständlich zu machen, obwohl sie nur krächzen konnte. »Du mußt mich aber wieder verlassen, das ist sicherer für dich. Ich wollte nicht, daß du nach Hause kommst, bevor ich ihn unschädlich gemacht habe. Er ist ein Taugenichts und täte dir bestimmt etwas zuleide. Ich muß dich doch vor ihm beschützen.«
Colin runzelte die Stirn. Wovon redete sie? Vor wem wollte sie ihn beschützen? Die Augen fielen ihr vor Erschöpfung wieder zu, und er wusch sie vom Gesicht bis zu den Zehenspitzen und drehte sie dann auf den Bauch.
Sie stöhnte leise, war aber viel zu schwach, um sich zu wehren.
Er rieb sie ab, bis ihre Haut sich endlich kühl anfühlte, und dann schloß er die Augen und betete inbrünstig um ihre Genesung, obwohl er sich keineswegs sicher war, daß Gott einen so wenig frommen Mann wie ihn erhören würde. »Bitte, Gott, bitte laß sie wieder gesund werden«, sagte er laut in dem stillen Raum, und es klang wie eine Beschwörung.
Er deckte sie zu, als er hörte, daß die Tür geöffnet wurde.
»Mylord?«
Es war der Arzt, und Colin informierte ihn: »Das Fieber ist gesunken.«
»Ausgezeichnet. Es wird zweifellos wieder steigen, und dann müssen Sie die Prozedur wiederholen. Ihr Sohn schläft übrigens vor der Tür
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