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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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sagte sie. »Merci, mademoiselle. Vous … vous êtes la soeur de Monsieur Wallstein?«
    »La soeur de qui?« Dido starrte das fremde Mädchen verblüfft an.
    Virginia in ihrem übermüdeten Zustand suchte verzweifelt nach Worten.
    »Je … j'ai pensé sa soeur et une … une fille italienne. Mais …«
    Sie gab es auf. Sie konnte das alles nicht begreifen. Er hatte ihr das Bild in dem Paß gezeigt und dazu gesagt: meine kleine Schwester. Sie ist ungefähr so alt wie Sie. Ihr Haar ist brünett, aber Mädchen färben sich ja manchmal die Haare. So genau schauen die an der Grenze nicht hin, bei diesem Verkehr. Sie sagen am besten gar nichts, lächeln höchstens.
    Er hatte recht gehabt, keiner hatte auch nur den Paß angeschaut, als sie von Österreich nach Italien wechselten.
    Warum nur sprachen sie hier auf einmal französisch? Die Fenster erhellten sich durch Blitze, und fast gleichzeitig dröhnte der Donner, barst als riesiges Echo von den Bergen zurück.
    Danio fürchtete sich nicht vor dem Gewitter. Im Augenblick fürchtete er sich vor gar nichts. Er wollte auch nicht darüber nachdenken, wie es weitergehen sollte. Er war hier, er war in Sicherheit, hatte die mörderische Fahrt überstanden, anderes interessierte ihn nicht, nicht in dieser Nacht.
    Er rutschte noch tiefer in den Sessel, streifte die Slipper von den Füßen und schob Dido das leere Glas hin. Sie füllte es, holte zwei frische Gläser, schenkte ein und reichte Virginia das eine Glas.
    Sie hatte heute nicht gespart, es war kein Landwein, es war ein voller starker Burgunder, doch Virginia trank ihn wie Wasser.
    »Ob sie auch was essen will?«
    »Stell was hin. Ich werde auf jeden Fall etwas essen.«
    »Es geht dir schon viel besser, wie ich sehe.«
    »Es geht mir immer besser, wenn ich bei dir bin. Und heute hat mich nur der Gedanke, daß ich irgendwann hier bei dir sitzen werde, am Leben erhalten.«
    Sie lachte. Dies war eine verhexte Nacht. Sie beschloß, sich über nichts mehr zu wundern.
    »Wenn du das nächstemal ein Mädchen entführst, werde ich dich begleiten. Wie soll ich das verstehen mit der Schwester?«
    »Bring mir erst was zu essen.«
    »Willst du Kaviar?«
    »Kaviar?«
    »Ich war heute in Cannes einkaufen. Ich habe Kaviar, ich habe foie gras, ich habe Langusten, ich habe jambon, und natürlich habe ich Ziegenkäse.«
    »Alles will ich hier auf dem Tisch sehen.«
    Albert de Valmeraine hatte damals, als er die Ferme zu einem Versteck und Stützpunkt für seine Organisation Armée Secrète, die OAS ausbaute, an nichts gespart. Denn schließlich sollte die OAS nicht nur Algerien halten, sie sollte de Gaulle stürzen und, falls nötig, den Bürgerkrieg in Frankreich vorbereiten. Albert und seine Männer waren nicht bereit, ein zweites Dien Bien Phu hinzunehmen, nicht um den Preis ihres Lebens, den sie ja dann auch in den meisten Fällen bezahlt hatten. Die Ferme also hatte, gemessen an ihrer weltverlorenen Lage, eine höchst umfassende technische Einrichtung, so vor allem ein Aggregat, um selbst Strom zu erzeugen, und eine tiefe Zisterne, denn Wasser war in dieser trockenen Region, wo es manchmal monatelang nicht regnete, von großer Wichtigkeit. Dies alles gab es natürlich im Dorf nicht. Aber Dido verfügte so auch über einen Kühlschrank und konnte unbesorgt Lebensmittel einkaufen.
    Während sie den Tisch mit allen Kostbarkeiten belud, schien es, als entluden sich Blitz und Donner direkt über ihrem Haus, sie zuckten alle drei zusammen und hielten für einen Moment den Atem an. Dann begann der Regen zu prasseln.
    Virginia mochte nichts essen, sie schüttelte ablehnend den Kopf, aber sie trank ein weiteres Glas Wein, genauso durstig wie das erste.
    »Du mußt etwas essen, Virginia«, sagte Danio und schob ihr einen Bissen Brot, dick mit Kaviar bedeckt, in den Mund. Zu Dido bemerkte er tadelnd: »Du hättest das Brot aufbacken müssen.« Denn in der gewitterschwülen Nacht hatte das Baguette seine Knusprigkeit eingebüßt.
    »Ich glaube, du bist verrückt«, erwiderte Dido. »Sei froh, daß du so fabelhafte Sachen zu essen bekommst.« Sie füllte wieder Virginias Glas, und es war abzusehen, daß das Mädchen bald betrunken sein würde. Ihre Lider sanken herab, sie strich sich mit fahrigen Bewegungen das Haar, das ihr immer wieder vornüberfiel, aus der Stirn.
    Wie sie da so saß in dem zerknautschten weißen Kleid mit den kleinen blauen Blümchen und den schönen neuen Sandaletten glich sie nur vage dem Mädchen, das am Nachmittag zum

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