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Die Jungfrau von Zesh

Titel: Die Jungfrau von Zesh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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verfolgt. Aus der Ferne konnte man gerade noch Brian Kirwans massige Gestalt erkennen, leicht über die Reling des Schiffes gebeugt, das sanft in der Dünung schaukelte. Der Psychologe studierte das Blatt.
    »Ich fürchte, ich kriege auch nicht viel mehr heraus als Sie«, sagte er stirnrunzelnd, zog aber einen Block, einen Stift und ein Taschenwörterbuch aus der Tasche. Dann putzte er seine Brille und setzte sich auf seinen Seesack.
    Das Boot mit Brian Kirwan und dem restlichen Gepäck näherte sich auf- und abschaukelnd dem Strand. Ein letzter hoher Brecher, und es glitt knirschend auf den Sand. Kirwan sprang heraus. Die Ruderer luden das Gepäck aus und legten wieder ab.
    »So«, sagte Kirwan, »da wären wir also, Kumpels, und ich hoffe nur, dass wir nicht feststellen müssen, dass wir allein sind. Ich habe den Rousselianern geschrieben, dass ich käme.«
    Bahr hob den Kopf. »Ich glaub, ich hab’s. Ein paar Wörter musste ich allerdings raten. Ich lese mal vor.
     
    An die Herrin Althea: Da Ihr mir das Leben gerettet habt, fühle ich mich verpflichtet, Euch zu helfen. Mein Landesherr, der Dasht von Darya, hat den Plan, Zá und Zesh zu erobern und alle Geschwänzten zu versklaven. Ihr solltet daher diese Inseln schnell wieder verlassen, wenn Ihr nicht in die Kämpfe geraten und getötet werden wollt.«
     
    Bahr faltete das Blatt wieder zusammen. »Der arme Kerl kann ja kaum schreiben, und seine Ausdrucksweise – großer Gott!« schrie er plötzlich, als ihm die Tragweite der Botschaft etwas verspätet ins Bewusstsein drang. »Damit sind ja wir gemeint! Wir müssen so schnell wie möglich weg von hier!«
    Bahr winkte wie wild mit beiden Armen zur Labághti hinüber, aber die Segel des Schiffes begannen sich bereits zu bauschen. Das Schiff drehte ab und segelte in Richtung Osten davon.
    »Ohe!« brüllte Bahr und rannte mit rudernden Armen am Strand auf und ab. »Kommt zurück!« schrie er auf Gozashtando.
    Althea und Kirwan schrien und winkten ebenfalls, aber das Schiff setzte ohne ein Zeichen des Erkennens seine Fahrt fort. Als es außer Rufweite war und zu einem winzigen Punkt zusammenschrumpfte, gaben sie erschöpft auf und schauten ihm mit schlaff herunterhängenden Armen nach, wie es am Horizont verschwand.

 
6
     
    B ahr zupfte nachdenklich an seiner Lippe und sagte: »Ich denke, es ist das beste, wir suchen die Insel ab, bis wir irgend jemanden finden.«
    »Das wird nicht nötig sein«, versetzte Kirwan. »Da kommt schon mein Empfangskomitee.«
    Ein merkwürdiges Geräusch drang an Altheas Ohr: ein dünnes, hohes Pfeifen, so als ob jemand über die Hälse kleiner Flaschen blies. Gleich darauf hörte man Rascheln, Zweige bewegten sich, und aus dem Unterholz brach eine einzigartige Prozession hervor.
    Angeführt wurde der Zug von einem kurzen untersetzten Mann mit nussbrauner Haut und dem platten schlitzäugigen Gesicht eines Ostasiaten. Bekleidet war er mit einem Stück grobbraunen Stoff, einer Art Sackleinen, das er sich um den Körper geschlungen und mit Sicherheitsnadeln festgesteckt hatte. Seine Füße steckten in Sandalen, und auf dem ergrauten Haupt ruhte ein Kranz aus purpurfarbenen Blättern. Er stützte sich beim Gehen auf einen langen Stab.
    Ihm folgte eine Schar ähnlich gekleideter Damen und Herren. Eine junge Frau trug eine Schale mit Früchten; hinter ihr schritt ein junger Mann mit einer Hirtenflöte, der für den hohen dünnen Pfeifton verantwortlich zeichnete. Insgesamt waren es ungefähr zwanzig Personen, die Männer allesamt mit Bärten in den verschiedensten Wachstumsstadien.
    Der Bekränzte stapfte durch den trockenen, glühenden Sand auf die drei Neuankömmlinge zu. Ein paar Meter vor ihnen blieb er stehen und sprach sie auf Portugiesisch an.
    »Guten Tag, Senhora und Senhores. Wer von Ihnen ist Brian Kirwan?«
    »Ich«, sagte Kirwan.
    »Im Namen des großen Jean-Jacques Rousseau heiße ich dich auf der Insel der Freiheit willkommen. Ich selbst war früher unter dem Namen Diogo Kuroki bekannt, doch hier heiße ich Zeus. Du, Brian Kirwan, wirst den Namen Orpheus tragen. Und wer sind die beiden dort? Ebenfalls Neulinge wie du?«
    »Nein«, sagte Kirwan und stellte seine Gefährten vor.
    »Oh, Wissenschaftler«, sagte Kuroki mit einer Miene, als wären Althea und Bahr irgendwelche niederen Organismen. »Willkommen in den Reihen der natürlich Lebenden, Senhor Orpheus.«
    Der Pfeifer tutete leise. Das Mädchen mit der Obstschale trat vor und reichte sie Kirwan. Ein weiterer

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