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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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dem Sinne, sondern Psychopharmaka, die er verschreiben kann. Es ist nicht illegal, nur unethisch.«
    »Was macht er hier?«
    »Er besucht mich gelegentlich. Wohnt in Jackson, aber dort gefällt's ihm nicht. Ich habe am Sonntag mit ihm telefoniert, nach Ihrem Anruf. Er möchte so schnell wie möglich mit Hailey reden. Morgen, wenn das möglich ist.«
    Der Psychiater schnaufte einmal mehr und rollte sich auf die Seite, wodurch die Hollywoodschaukel in Bewegung geriet. Sie schwang einige Male hin und her, und der nach wie vor schnarchende Bass wälzte sich erneut herum. Er streckte das rechte Bein, und der Fuß stieß gegen einen dicken Ast im nahen Gebüsch. Die Schaukel kippte, und der Arzt fiel auf die Veranda. Er prallte mit dem Kopf auf den Holzboden, und der rechte Fuß blieb unter dem Ast festgeklemmt. Bass schnitt nur eine Grimasse, hustete und schnarchte erneut. Jake ging instinktiv auf ihn zu, verharrte jedoch, als er sah, daß sich der Mann nicht verletzt hatte und auch weiterhin schlief.
    »Lassen Sie ihn nur!« rief Lucien und lachte.
    Wilbanks legte einen Eiswürfel auf den Boden, zielte und gab ihm einen Stoß. Das Ding rutschte am Kopf des Arztes vorbei. Der zweite Würfel traf ihn an der Nasenspitze. »Perfekter Schuß!« donnerte Luden. »Aufwachen, Trunkenbold!«
    Jake ging die Treppe hinunter zum Saab und hörte dabei, wie sein früherer Chef lachte, fluchte und mit Eiswürfeln nach Dr. W. T. Bass warf, Psychiater und Entlastungszeuge.
    Deputy DeWayne Looney stützte sich auf Krücken, als er das Krankenhaus verließ. Er fuhr mit seiner Frau und den drei Kindern zum Gefängnis, wo der Sheriff, die anderen Deputys sowie Reservisten und einige Freunde warteten. Ein Kuchen stand auf dem Tisch, und daneben lagen kleine Geschenke. Looney behielt Polizeimarke, Uniform und Rang, aber von jetzt an würde er in der Zentrale arbeiten.
21
    M an hatte den Saal der Springdale Church gründlich gereinigt, die Klappstühle und -tische auf Hochglanz poliert und in geraden Reihen aufgestellt. Es war die größte Schwarzenkirche in der County, und sie befand sich in Clanton. Aus diesem Grund hielt es Bischof Agee für angemessen, die Versammlung dort stattfinden zu lassen. Die Pressekonferenz diente dazu, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, dem Angeklagten moralische Unterstützung zu gewähren und die Gründung des Carl-Lee-Hailey-Verteidigungsfonds bekanntzugeben. Der NAACP-Vorsitzende kam mit einem Scheck über fünftausend Dollar und versprach noch mehr Geld. Der NAACP-Ortsgruppenleiter aus Memphis brachte fünftausend Dollar in bar mit und legte sie stolz auf den Tisch. Sie saßen neben Agee im vorderen Teil der Kirche, und hinter ihnen hatten die Angehörigen des Priesterkonzils Platz genommen. Vor ihnen warteten zweihundert schwarze Kirchenmitglieder. Auch Gwen leistete dem Bischof Gesellschaft. In der Mitte des Saals kritzelten Reporter Notizen, und einige – überraschend wenige – Kameras surrten.
    Agee ergriff als erster das Wort, und die Präsenz der Journalisten inspirierte ihn. Er sprach von den Haileys, von ihrem guten Ruf und von ihrer Unschuld. Er erwähnte, Tonya im Alter von nur acht Jahren getauft zu haben. Er beschrieb eine von Rassismus und Haß ruinierte Familie. Er verdammte die Justiz und ihr Bestreben, einen guten, anständigen Mann zu verurteilen, der kein Verbrechen begangen hatte, den man als Weißen überhaupt nicht vor Gericht gestellt hätte. Er betonte, es sei nur deshalb Anklage gegen Carl Lee Hailey erhoben wo rden, weil er ein Schwarzer war. Agee geriet in Schwung, und das Publikum jubelte ihm zu. Während der Pressekonferenz entfaltete sich plötzlich die Leidenschaft eines Zelt-Revivals. Seine Ansprache dauerte fünfundvierzig Minuten.
    Er setzte hohe rhetorische Maßstäbe, aber der NAACPVorsitzende nahm die Herausforderung an. Eine halbe Stunde lang verurteilte er den Rassismus und nutzte die gute Gelegenheit, um aus Statistiken über Kriminalität, Verhaftungen, Verurteilungen und Gefängnisinsassen zu zitieren. Schließlich faßte er alles mit dem Hinweis zusammen, daß die Justiz von Weißen kontrolliert werde, die jede Möglichkeit wahrnehmen würden, Schwarze hinter Gitter zu bringen. Mit akrobatischer Logik wendete er seine Statistiken auf Ford County an und meinte, Carl Lee Hailey könne hier keine Gerechtigkeit erwarten. Die hell strahlenden Lampen der Kameramänner sorgten dafür, daß Schweiß über den Augenbrauen des Redners perlte. Er erwärmte sich für das

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