Die Jury
Thema, wurde zorniger als Bischof Agee und hämmerte aufs Pult, wodurch die Mikrofone vor ihm erzitterten. Dann bat er die Schwarzen in Ford County und Mississippi, noch mehr zu spenden, und kündigte Demonstrationen und Protestmärsche an. Der Prozeß sollte zum Fanal für die Schwarzen und Unterdrückten im ganzen Land werden.
Er beantwortete Fragen. Wieviel Geld sollte gesammelt werden? Mindestens fünfzigtausend, hoffte er. Es war bestimmt sehr teuer, Carl Lee Hailey zu verteidigen, und vielleicht genügten fünfzigtausend nicht. Deshalb mußte so tief wie möglich in die Tasche gegriffen werden – die Zeit war knapp. Wofür sollte das Geld verwendet werden? Für die Anwalts- und Verfahrenskosten. Um einen Freispruch durchzusetzen, war ein ganzes Heer von Anwälten und Ärzten notwendig. Plante man, NAACP-Anwälte mit dem Fall zu betrauen? Natürlich. In den Washingtoner Büros arbeitete man bereits daran. Die Spezialisten für Kapitalverbrechen kümmerten sich um alles. Carl Lee Hailey stellte ihre oberste Priorität dar, und man würde alle Ressourcen für seine Verteidigung einsetzen.
Nach dem NAACP-Vorsitzenden trat Bischof Agee noch einmal ans Pult und nickte dem Organisten zu. Musik erklang. Die Gemeinde stand auf, faßte sich an den Händen und sang aus vollen Kehlen »We Shall Overcome«.
Am Dienstag berichtete die Zeitung von dem Verteidigungsfond. Jake hatte Gerüchte über eine besondere, vom Priesterkonzil verwaltete Kollekte gehört und bisher angenommen, mit dem Geld sollte die Familie unterstützt werden. Fünfzig Riesen für die Anwalts- und Verfahrenskosten! Er war verärgert und gleichzeitig interessiert. Mußte er damit rechnen, erneut gefeuert zu werden? Und wenn sich Carl Lee weigerte, die Dienste der NAACP-Anwälte in Anspruch zu nehmen? Was geschah dann mit dem Geld? Es dauerte noch fünf Wochen bis zum Prozeßbeginn – genug Zeit für das auf Kapitalverbrechen spezialisierte Team, in Clanton einzufallen. Jake hatte von den Typen gelesen: sechs Fachleute für Mordfälle, die durch den Süden der USA reisten und Schwarze vertraten, denen man besonders scheußliche Verbrechen zur Last legte. Man bezeichnete sie als »Todestrupp«. Es handelte sich um sehr intelligente, sehr talentierte und sehr gebildete Anwälte, die versuchten, schwarze Mörder davor zu bewahren, in den Gaskammern oder auf den elektrischen Stühlen der Südstaaten zu enden. Sie befaßten sich nur mit vorsätzlichem Mord und leisteten außerordentlich gute Arbeit. Die NAACP leitete ihre Einsätze, sammelte das nötige Geld, organisierte die ortsansässigen Schwarzen und rührte die Werbetrommel. Rassismus war die beste – und manchmal einzige – Verteidigung. Zwar verloren sie die meisten Prozesse, aber sie standen keineswegs in einem schlechten Ruf. Die von ihnen übernommenen Fälle galten praktisch immer als aussichtslos, und sie gaben sich wenigstens alle Mühe, den Angeklagten zu einem Märtyrer zu machen, in der Hoffnung, einen einstimmigen Urteilsspruch der Geschworenen zu verhindern. Jetzt kamen sie nach Clanton.
Eine Woche vorher hatte Buckley den förmlichen Antrag gestellt, Carl Lee von Psychiatern untersuchen zu lassen. Jake verlangte, daß die Untersuchungen in Clanton stattfinden sollten, vorzugsweise in seiner Praxis. Noose lehnte ab und beauftragte den Sheriff, Hailey zur Nervenklinik in Whitfield zu fahren. Jake bat darum, seinen Klienten begleiten und ihm die ganze Zeit über Gesellschaft leisten zu dürfen, aber auch diesmal antwortete Noose mit einem klaren Nein.
Früh am Mittwochmorgen tranken Jake und Ozzie Kaffee im Büro des Sheriffs, während sie darauf warteten, daß Carl Lee duschte und sich anzog. Die Fahrt nach Whitfield dauerte drei Stunden, und er sollte dort um neun Uhr eintreffen. Jake hatte noch einige Anweisungen für seinen Klienten.
»Wie lange bleiben Sie dort?« wandte er sich an Ozzie. »Sie sind der Anwalt. Wie lange dauert so etwas?«
»Drei oder vier Tage. Sie fahren nicht zum erstenmal zu der Klinik, oder?«
»Nein. Wir haben eine Menge Verrückte in Whitfield abgeliefert. Aber dieser Fall ist einzigartig. Wo bringt man ihn unter?«
»In irgendeiner Zelle.«
Deputy Hastings schlenderte schläfrig herein und knabberte an einem Gebäckstück. »Wie viele Wagen nehmen wir?«
»Zwei«, antwortete Ozzie. »Ich fahre meinen, und Sie fahren Ihren. Pirtle und Carl Lee begleiten mich, Riley und Nesbit begleiten Sie.«
»Waffen?«
»Drei Gewehre für jedes Fahrzeug.
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