Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
Todeszelle saßen und siebzehn auf den Prozeß warteten? Hinzu kamen acht egoistische Anwälte, die überwacht werden mußten. Als Dreißigjähriger sah er wie fünfundvierzig aus. Er war alt, aggressiv und ständig gereizt. Normalerweise wäre er viel zu beschäftigt gewesen, um in Clanton, Mississippi, an einer Versammlung von schwarzen Priestern teilzunehmen, aber diesmal sah die Sache ganz anders aus. Es ging um Hailey, um den Vater, der die beiden Vergewaltiger seiner Tochter erschossen hatte – derzeit der berühmteste Fall im ganzen Land. Er wurde in Mississippi verhandelt: Jahrelang hatten dort Weiße aus irgendeinem Grund oder ohne den geringsten Anlaß auf Schwarze geschossen, und niemand scherte sich darum. Dort erhängte man Schwarze, die sich zur Wehr setzten. Nun hatte ein schwarzer Vater die beiden weißen Vergewaltiger seiner Tochter umgebracht, und dafür drohte ihm die Gaskammer – obwohl ein Weißer an seiner Stelle nicht einmal vor Gericht gestellt worden wäre. Ein Fall, der großes Aufsehen erregte. Der Fall. Reinfeld beschloß, ihn zu übernehmen.
    Am Montag stellte ihn Agee dem Konzil vor. Der Bischof eröffnete die Versammlung mit einem langen und detaillierten Bericht über die Aktivitäten in Ford County. Reinfeld faßte sich wesentlich kürzer. Er und sein Team konnten Mr. Hailey nicht vertreten, weil ein offizieller Auftrag fehlte, und deshalb mußte er so schnell wie möglich mit dem Angeklagten sprechen. Am besten noch heute. Spätestens morgen früh, denn am Mittag würde er von Memphis nach Georgia fliegen, um dort an irgendeinem anderen Mordprozeß teilzunehmen. Agee versprach, eine Begegnung mit Carl Lee Hailey zu arrangieren. Er sei mit dem Sheriff befreundet, meinte er. »Gut«, erwiderte Reinfeld. »Beeilen Sie sich. Mir bleibt nicht viel Zeit.«
    »Wieviel Geld haben Sie gesammelt?« fragte er dann. »Wir bekamen fünfzehntausend Dollar von der NAACP«, antwortete Agee.
    »Ich weiß. Und wieviel wurde hier gespendet?«
    »Sechstausend«, sagte der Bischof stolz.
    »Sechstausend!« wiederholte Reinfeld. »Mehr nicht? Ich dachte, Sie seien gut organisiert. Wo ist die große Unterstützung am Ort, von der Sie mir erzählten? Sechstausend! Wieviel mehr können Sie sammeln? Wir haben nur noch drei Wochen.«
    Die Mitglieder des Konzils schwiegen. Dieser Jude erschien ihnen ziemlich dreist. Der einzige Weiße in ihrer Gemeinschaft – und er übte Kritik!
    »Wieviel brauchen wir?« erkundigte sich Agee.
    »Das hängt davon ab, wie gut die Verteidigung für Mr. Hailey sein soll. Zu meiner Gruppe gehören nur acht andere Anwälte, und fünf von ihnen sind im Augenblick mit verschiedenen Prozessen beschäftigt. Wir haben einunddreißig Revisionsverfahren im Hinblick auf Verurteilungen bei Mordfällen. Wir haben siebze hn Gerichtsverhandlungen, die während der nächsten fünf Monate in zehn Staaten stattfinden. In jeder Woche bekommen wir zehn Verteidigungsaufträge, und acht davon müssen wir zurückweisen, weil es uns an Mitarbeitern und Geld fehlt. Für Mr. Hailey sind fünfzehntausend Dollar zur Verfügung gestellt worden, von zwei Ortsgruppen und dem nationalen Verband. Jetzt höre ich von Ihnen, daß Sie hier nur sechstausend gesammelt haben. Insgesamt sind das also einundzwanzigtausend. Für diesen Betrag erhält der Angeklagte eben die Verteidigung, die wir uns leisten können. Zwei Anwälte, mindestens ein Psychiater, aber nichts Besonderes. Einundzwanzigtausend genügen für eine normale Verteidigung, aber ich hatte etwas anderes im Sinn.«
    »Was haben Sie geplant?«
    »Etwas Erstklassiges. Drei oder vier Anwälte. Eine ganze Gruppe von Psychiatern. Fünf oder sechs Personen, die Ermittlungen anstellen. Einen Jury-Psychologen. Um nur einige Aspekte zu nennen. Dies ist kein gewöhnlicher Mordfall. Ich möchte den Prozeß gewinnen. Und ich dachte bisher, daß auch Sie einen Freispruch erwirken wollen.«
    »Wieviel?« fragte Agee.
    »Mindestens fünfzigtausend. Hunderttausend wären besser.«
    »Nun, Mr. Reinfeld, Sie befinden sich hier in Mississippi. Die hiesigen Schwarzen sind arm. Bisher haben sie großzügig gespendet, aber wir können unmöglich weitere dreißigtausend Dollar sammeln.«
    Reinfeld rückte seine Hornbrille zurecht und kratzte sich am ergrauenden Bart. »Welche Summe halten Sie für möglich?«
    »Vielleicht noch einmal fünftausend.«
    »Das ist nicht viel Geld.«
    »Nicht für Sie. Aber zweifellos für die schwarze Gemeinde in Ford County.«
    Reinfeld

Weitere Kostenlose Bücher