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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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helle Sonnenschein blendete die junge Dame, als sie nach oben schaute; ihre goldenes, rötliches Haar schien zu schimmern.
    »Sind Sie Jake Brigance?« fragte sie und schirmte sich mit dem Unterarm die Augen ab.
    »Ja. Was wollen Sie?«
    »Ich möchte mit Ihnen reden.«
    »Ich habe zu tun.«
    »Es ist sehr wichtig.«
    »Sie sind keine Klientin, oder?« Jake konzentrierte seinen Blick auf die schlanke Gestalt und wußte sofort, daß es sich nicht um eine Mandantin handelte.
    »Nein. Ich brauche nur fünf Minuten Ihrer Zeit.«
    Jake schloß die Tür auf. Die Frau schlenderte so ungezwungen herein, als gehöre ihr das Büro. Sie drückte fest zu, als sie sich die Hände schüttelten.
    »Ich bin Ellen Roark.«
    Jake deutete auf einen Stuhl neben der Tür. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Setzen Sie sich.«
    Er ließ sich auf die Kante von Ethels Schreibtisch sinken. »Eine Silbe oder zwei?«
    »Wie bitte?«
    Die Besucherin hatte einen kecken Northeast-Akzent, abgeschwächt von einigen Jahren im Süden.
    »Heißt es Roark oder Row Ark?«
    »Roark. Rork in Boston und Row Ark in Mississippi.«
    »Was dagegen, wenn ich Sie mit ›Ellen‹ anspreche?«
    »Ganz und gar nicht. Mit zwei Silben. Darf ich Sie Jake nennen?«
    »Ja.«
    »Gut. Ich hatte nämlich nicht vor, dauernd Mister zu sagen.«
    »Boston, wie?«
    »Dort bin ich geboren. Habe das Boston College besucht. Mein Vater ist Sheldon Roark, ein in Boston gut bekannter Strafverteidiger.«
    »Leider habe ich noch nichts von ihm gehört. Was führt Sie nach Mississippi?«
    »Ich studiere in Ole Miss.«
    »Lieber Himmel! Wieso ausgerechnet dort?«
    »Meine Mutter stammt aus Natchez. Sie gehörte zur Studentinnenvereinigung von Ole Miss, bevor sie nach New York zog und dort meinen Vater kennenlernte.«
    »Ich habe ein Mitglied jener Studentinnenvereinigung geheiratet.«
    »Sie bietet eine gute Auswahl.«
    »Möchten Sie Kaffee?«
    »Nein, danke.«
    »Nun, da wir uns jetzt gut kennen: Warum sind Sie in Clanton?«
    »Wegen Carl Lee Hailey.«
    »Dachte ich mir.«
    »Ich beende das Studium im Dezember und verbringe den Sommer in Oxford. Dort hörte ich mir Guthries Vorträge über Strafrecht an, aber sie langweilen mich.«
    »Der verrückte George Guthrie.«
    »Ja, er ist noch immer verrückt.«
    »Nach meinen ersten beiden Semestern hat er mich in Verfassungsrecht durchfallen lassen.«
    »Nun, ich biete Ihnen meine Hilfe für den Prozeß an.«
    Jake lächelte, nahm in Ethels besonders stabilem Sessel Platz und musterte Ellen aufmerksam. Das schwarze Polohemd war modisch verblaßt und tadellos gebügelt. Gewisse Wölbungen verrieten volle, feste Brüste, die auf einen Büstenhalter verzichteten. Das dichte, wellige Haar reichte bis auf die Schultern.
    »Wieso glauben Sie, daß ich Hilfe brauche?«
    »Ich weiß, daß Sie allein praktizieren. Und ich weiß, daß Sie keinen Assistenten haben.«
    »Woher wissen Sie das alles?«
    »Aus Newsweek.«
    »Oh, ja. Eine wundervolle Zeitschrift. Das Bild war gut, nicht wahr?«
    »Im großen und ganzen schon. Sie sahen darauf nur ein wenig spießig aus. In Fleisch und Blut gefallen Sie mir besser.«
    »Welche Referenzen bringen Sie mit?«
    »In meiner Familie ist es ganz normal, ein Genie zu sein. Ich habe das Boston College mit summa cum laude hinter mich gebracht, und an der juristischen Fakultät bin ich die Zweitbeste meines Jahrgangs. Im vergangenen Sommer habe ich drei Monate lang für die Southern Prisoners Defense League (10) gearbeitet und hatte Gelegenheit, an sieben wichtigen Prozessen teilzunehmen. Ich habe gesehen, wie Elmer Wayne Doss in Florida auf dem elektrischen Stuhl starb. Ich habe gesehen, wie man Willie Ray Ash in Texas mit einer tödlichen Injektion hinrichtete. Wenn ich in Ole Miss Zeit finde, schreibe ich Berichte für eine Bürgerrechtsbewegung. Und für eine Kanzlei in Spartanburg, South Carolina, kümmere ich mich um zwei Berufungsverfahren, bei denen es um Todesurteile geht. Ich wuchs bei meinem Vater in der Anwaltspraxis auf und stellte juristische Ermittlungen an, bevor ich den Führerschein erwarb. Ich habe beobachtet, wie er Vergewaltiger, Veruntreuer, Betrüger, Erpresser und Terroristen verteidigte. Er vertrat Leute vor Gericht, die Kinder mißhandelten – und Kinder, die ihre Eltern umbrachten. Als ich die High-School besuchte, habe ich vierzig Stunden in seinem Büro gearbeitet, und daraus wurden fünfzig während meiner Zeit am College. Achtzehn sehr fähige und sehr talentierte Anwälte sind für meinen

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