Die Jury
Vater tätig. Seine Kanzlei ist ein hervorragendes Ausbildungszentrum für Strafverteidiger, und ich gehöre seit vierzehn Jahren dazu. Jetzt bin ich fünfundzwanzig, und ich möchte ein radikaler Anwalt werden, so wie mein Vater. Ich stelle mir eine ruhmreiche, dem Kampf gegen die Todesstrafe gewidmete Karriere vor.«
»Ist das alles?«
»Mein Vater ist stinkreich, und ich bin das einzige Kind, obwohl wir irische Katholiken sind. Ich habe mehr Geld als Sie, und deshalb arbeite ich gratis für Sie. Ohne Lohn oder Gehalt. Eine kostenlose Assistentin für drei Wochen. Ich führe Ermittlungen durch, tippe Briefe und nehme Anrufe entgegen. Ich trage sogar Ihren Aktenkoffer und koche Kaffee«
»Ich hatte schon befürchtet, daß Sie eine Juniorpartnerschaft in meiner Praxis anstreben.«
»Nein. Ich bin eine Frau, und wir sind hier im Süden. Ich kenne meinen Platz.«
»Warum haben Sie solches Interesse an dem Fall Hailey?«
»Ich möchte im Gerichtssaal mit dabei sein. Ich liebe strafrechtliche Prozesse, bei denen ein Leben auf dem Spiel steht. Ich liebe es, wenn die Anspannung so groß wird, daß sie fast körperlich greifbar ist. Wenn alle Plätze im Saal besetzt sind und strenge Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden. Wenn die Hälfte des Publikums den Angeklagten und seinen Anwalt haßt, während die andere auf einen Freispruch hofft. Ja, ich liebe so etwas. Und dies ist der wichtigste strafrechtliche Prozeß seit langer Zeit. Ich komme aus dem Norden und finde die Verhältnisse hier im Süden eher verwirrend, aber sie üben einen beträchtlichen Reiz auf mich aus. Häufig verstehe ich sie nicht, doch sie faszinieren mich. Die rassischen Aspekte bei diesem Fall haben eine ganz besondere Bedeutung. Ein Schwarzer, der die beiden weißen Vergewaltiger seiner Tochter erschoß... Mein Vater meinte, er würde diesen Angeklagten verteidigen, ohne einen Cent Honorar zu verlangen.«
»Sagen Sie ihm, er soll in Boston bleiben.«
»Dieser Prozeß ist der Traum eines jeden Strafverteidigers. Ich möchte dabei sein. Ich verspreche Ihnen, Sie nicht zu stören. Geben Sie mir nur die Möglichkeit, im Hintergrund zu arbeiten und das Verfahren zu beobachten.«
»Richter Noose verabscheut Anwältinnen.«
»Alle Anwälte im Süden verachten weibliche Kollegen. Aber ich bin keine Anwältin, sondern Jurastudentin.«
»Ich überlasse es Ihnen, Noose den Unterschied zu erklären.«
»Bekomme ich den Job?«
Jake wandte den Blick von Ellen ab und atmete tief durch. Eine neuerliche Welle von Übelkeit durchflutete ihn und schien ihm die Luft aus den Lungen zu pressen. Das Hämmern hinter der Stirn wurde wieder stärker, und er mußte dringend zur Toilette.
»Ja, Sie haben den Job. Ich kann jemanden gebrauchen, der kostenlose Ermittlungen anstellt. Solche Fälle sind sehr kompliziert, wie Sie sicher wissen.«
Ellen lächelte zuversichtlich. »Wann fange ich an?«
»Jetzt.«
Jake führte sie durch die einzelnen Räume seiner Praxis und wies ihr das Kriegszimmer im ersten Stock zu. Er legte die Hailey-Akte auf den Konferenztisch, und seine neue Assistentin verbrachte eine Stunde damit, die Unterlagen zu kopieren.
Um halb drei erwachte Jake von einem Nickerchen auf der Couch. Er ging die Treppe hinunter und betrat das Besprechungszimmer. Ellen hatte die Hälfte der Bücher aus den Regalen genommen und sie auf den langen Tisch gelegt. Dutzende von Lesezeichen ragten aus ihnen hervor, und die junge Frau schrieb fleißig Notizen.
»Keine üble Bibliothek«, sagte sie. »Einige der Bücher sind seit zwanzig Jahren nicht mehr benutzt worden.«
»Ich habe den Staub bemerkt.«
»Möchten Sie etwas essen?«
»Ja. Ich bin halb verhungert.«
»An der Ecke gibt es ein kleines Café. Die dortige Spezialität ist Schmalz und Maismehlpfannkuchen. Genau das brauche ich jetzt.«
»Klingt lecker.«
Sie gingen am Stadtplatz entlang zu Claude, wo für einen Samstagnachmittag erstaunlich wenig Betrieb herrschte. Andere Weiße waren nicht zugegen. Claude fehlte, und Jake empfand die Stille als ohrenbetäubend. Er bestellte einen Cheeseburger mit Zwiebeln sowie ein Glas Wasser mit drei Aspirintabletten.
»Haben Sie Kopfschmerzen?« fragte Ellen.
»Sogar ziemlich starke.«
»Streß?«
»Kater.«
»Ein Kater? Ich dachte, Sie wären abstinent.«
»Wer behauptet das?«
»Newsweek. Der Artikel bezeichnete Sie als pflichtbewußten Familienvater und gläubigen Presbyterianer, der keinen Alkohol trinkt und billige Zigarren raucht. Erinnern Sie
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