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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sich? Wie konnten Sie das vergessen, hm?«
    »Glauben Sie alles, was Sie lesen?«
    »Nein.«
    »Gut. Gestern abend habe ich mich vollaufen lassen, und heute morgen spielte mein Magen verrückt. Mußte immer wieder zur Toilette, um zu kotzen.«
    Ellen schmunzelte. »Was trinken Sie?«
    »Nichts – bis gestern abend. Dies ist mein erster Kater seit dem Studium, und ich hoffe inständig, es bleibt der letzte. Ich hatte ganz vergessen, wie mies man sich dabei fühlt.«
    »Warum trinken Anwälte?«
    »Sie lernen es an der Universität. Hängt Ihr Vater an der Flasche?«
    »Soll das ein Witz sein? Wir sind katholisch. Nun, er übertreibt es nicht.«
    »Trinken Sie?«
    »Klar, dauernd«, antwortete Ellen stolz.
    »Dann wird bestimmt eine gute Anwältin aus Ihnen.« Jake beobachtete, wie sich die drei Aspirintabletten im Wasser auflösten. Dann leerte er das Glas in einem Zug, verzog das Gesicht und wischte sich den Mund ab. Ellen lächelte auch weiterhin.
    »Was würde Ihre Frau dazu sagen?«
    »Wozu?«
    »Zu dem Kater eines pflichtbewußten und religiösen Familienvaters.«
    »Sie weiß nichts davon. Gestern morgen hat sie mich verlassen.«
    »Das tut mir leid.«
    »Bis zum Ende des Prozesses bleibt sie bei ihren Eltern. Seit zwei Monaten drohen uns anonyme Anrufer mit dem Tod, und Donnerstag nacht wollte man unser Haus in die Luft jagen. Die Cops fanden das Dynamit rechtzeitig und nahmen zwei Männer fest, vermutlich Klanmitglieder. Andernfalls wäre meine Familie jetzt tot, ebenso wie ich. Ein guter Grund, um sich einen hinter die Binde zu kippen.«
    »Ich hatte keine Ahnung«, murmelte Ellen, plötzlich ernst geworden.
    »Ihr neuer Job könnte sehr gefährlich sein. Ich hoffe, das ist Ihnen jetzt klar.«
    »Ich bin an Drohungen gewöhnt. Letzten Sommer in Dothan, Alabama, verteidigten wir zwei schwarze Teenager, die mit einer achtzigjährigen Frau Analverkehr hatten und sie dann erwürgten. Kein Anwalt in jenem Staat wollte den Fall übernehmen, und desha lb wandte man sich an die Defense League. Als wir in die Stadt kamen, genügte allein unser Anblick, um die Leute auf den Straßen in einen Mob zu verwandeln, der uns lynchen wollte. Nie zuvor in meinem Leben habe ich einen solchen Haß gespürt. Wir verbargen uns in einem anderen Ort und glaubten, in Sicherheit zu sein – bis eines Abends zwei Männer ins Motel kamen und versuchten, mich zu entführen.«
    »Was geschah dann?«
    »Ich hatte eine kurzläufige 38er in meiner Handtasche und überzeugte die beiden Typen davon, daß ich weiß, wie man mit der Knarre umgeht.«
    »Eine kurzläufige 38er?«
    »Mein Vater schenkte sie mir zum fünfzehnten Geburtstag. Ich habe einen Waffenschein.«
    »Ihr Vater muß ein toller Bursche sein.«
    »Man hat mehrmals auf ihn geschossen. Er übernimmt sehr umstrittene Fälle, von denen man in der Zeitung liest. Meistens ist die Öffentlichkeit empört und fordert, daß man den Angeklagten ohne ein Verfahren aufhängt. Solche Prozesse mag mein Vater besonders gern. Er hat einen Leibwächter.«
    »Und wenn schon – ich ebenfalls. Deputy Nesbit. Na ja selbst mit einer Schrotflinte wäre er nicht imstande, eine große Scheune zu treffen. Man hat ihn mir gestern zugeteilt.«
    Das Essen kam. Ellen entfernte die Zwiebeln und Tomaten von ihrem Claudeburger und bot Jake die Pommes frites an. Anschließend schnitt sie ihr Brötchen in zwei Teile und knabberte vorsichtig am Rand. Heißes Öl tropfte auf ihren Teller. Nach jedem kleinen Bissen wischte sie sich den Mund ab.
    Sie hatte ein offenes, freundliches Gesicht, doch hinter der lächelnden Fassade erahnte Jake eine Zum-Teufel- mit Büstenhaltern- und Ich-kann-noch-besser-fluchen-Aggressivität. Nirgends zeigte sich auch nur eine Spur von Make-up. Ellen brauchte auch keins. Sie war weder schön noch hübsch, wollte es wohl auch überhaupt nicht sein. Jake sah die blasse Haut einer Rothaarigen, doch sie wirkte gesund; sieben oder acht Sommersprossen zierten die kleine, spitz zulaufende Nase. Wenn sie schmunzelte, wölbten sich ihre Lippen, und dann entstanden Grübchen in den Wangen. Ihr Lächeln erschien ihm zuversichtlich, herausfordernd und geheimnisvoll. In den metallischgrünen Augen glänzte sanfter Zorn, und nie mied sie den Blick ihres Gesprächspartners.
    Ein intelligentes Gesicht. Und außerordentlich attraktiv. Jake verspeiste seinen Cheeseburger und versuchte, Ellens Augen zu ignorieren. Die Mahlzeit schuf Ruhe in seinem Magen, und zum erstenmal seit zehn Stunden glaubte er,

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