Die Jury
ordnete der Richter eine Pause bis um sechs an und bat die Anwälte, in der Nähe zu bleiben oder eine Telefonnummer zu hinterlassen.
Die Zuschauer gaben ihre Plätze nicht auf und unterhielten sich leise. Carl Lee erhielt die Erlaubnis, sich zu seiner Familie in der vordersten Reihe zu setzen. Buckley und Musgrove warteten zusammen mit Noose im Büro des Richters. Harry Rex, Lucien und Jake begaben sich in die Anwaltspraxis auf der anderen Straßenseite, um das Abendessen zu trinken. Niemand von ihnen rechnete mit einem schnellen Urteil.
Der Gerichtsdiener schloß die Geschworenen in der Beratungskammer ein und wies die beiden Stellvertreter an, im schmalen Flur Platz zu nehmen. Hinter der Tür wurde Barry Acker durch Akklamation zum Obmann gewählt. Er legte Anweisungen und Beweisstücke auf einen Tisch in der Ecke, während sich seine nervösen Kollegen auf die Stühle an den Klapptischen sinken ließen.
»Ich schlage zunächst eine inoffizielle Abstimmung vor«, sagte er. »Um einen Eindruck von der Situation zu gewinnen. Hat jemand was dagegen?«
Niemand meldete sich. Acker hob die Liste mit den zwölf Namen.
»Bitte stimmen Sie mit schuldig, nicht schuldig, unentschlossen oder Enthaltung.«
»Reba Betts.«
»Unentschlossen.«
»Bernice Toole.«
»Schuldig.«
»Carol Gorman.«
»Schuldig.«
»Donna Lou Peck.«
»Unentschlossen.«
»Sue Williams.«
»Enthaltung.«
»Jo Ann Gates.«
»Schuldig.«
»Rita Mae Plunk.«
»Schuldig.«
»Frances McGowan.«
»Schuldig.«
»Wanda Womack.«
»Unentschlossen.«
»Eula Dell Yates.«
»Zunächst unentschlossen. Ich möchte darüber reden.«
»Wir werden alles ausführlich erörtern. Clyde Sisco.«
»Unentschlossen.«
»Das sind elf. Ich bin Barry Acker und stimme nicht schuldig.«
Er zögerte einige Sekunden lang, bevor er hinzufügte: »Fünfmal schuldig, fünfmal unentschlossen, eine Enthaltung und einmal nicht schuldig. Offenbar wartet eine Menge Arbeit auf uns.«
Die Geschworenen befaßten sich mit den Beweisstücken, Fotografien, Fingerabdrücken und ballistischen Berichten. Um sechs informierten sie den Richter, daß sie sich noch nicht auf ein Urteil einigen könnten. Sie hatten Hunger und wollten die Kammer verlassen. Noose nahm die Mitteilung entgegen, und das Gericht vertagte sich auf Dienstagmorgen.
41
S tundenlang saßen sie auf der Veranda, schwiegen die meiste Zeit über und beobachteten, wie Dunkelheit die Stadt umhüllte. Ab und zu schlugen sie nach Moskitos. Die schwüle Hitze war zurückgekehrt und trieb ihnen Schweiß aus den Poren; feuchte Hemden klebten an der Haut fest. Typische Geräusche eines heißen Sommerabends klangen leise über den Rasen vorm Haus. Sallie hatte angeboten, eine Mahlzeit zuzubereiten, doch Lucien lehnte ab und bestellte sich Whisky. Jake verzichtete ebenfalls auf feste Nahrung: Bier füllte seinen Magen und betäubte das Hungergefühl. Als es dunkel und ruhig geworden war, stieg Nesbit aus dem Streifenwagen, schlenderte über die Veranda und betrat das Haus. Kurz darauf kam er wieder nach draußen, schloß die Fliegengittertür und ging mit einem kalten Bier an den beiden Männern vorbei. Wortlos schritt er über die Zufahrt und verschwand in der Nacht.
Sallie fragte noch einmal, ob jemand etwas essen wolle. Lucien und Jake schüttelten den Kopf.
»Heute nachmittag hat mich jemand angerufen«, sagte Wilbanks. »Clyde Sisco verlangt fünfundzwanzigtausend Dollar, um einen einstimmigen Urteilsspruch der Jury zu verhindern. Sein Preis für einen Freispruch beträgt fünfzigtausend.«
Jake setzte zu einem Einwand an.
»Bevor Sie etwas sagen... Hören Sie mir gut zu. Sisco weiß, daß er keinen Freispruch garantieren kann, aber er ist durchaus imstande, die übrigen Geschworenen durch Nichtzustimmung an einer Entscheidung zu hindern. Dafür will er fünfundzwanzig Riesen. Eine Menge Geld – aber Sie wissen ja, daß ich genug Moos habe. Ich lege es für Sie aus, und Sie zahlen es im Lauf der nächsten Jahre zurück. Wann auch immer. Ist mir völlig gleich. Und wenn Sie die Summe nie zurückzahlen können... Was soll's? Ich habe genug Kohle. Geld bedeutet mir nichts. An Ihrer Stelle würde ich diese Möglichkeit sofort nutzen.«
»Sie sind übergeschnappt, Lucien.«
»Na klar bin ich übergeschnappt. Und Sie sind ebenfalls angeknackst. Die Arbeit als Strafverteidiger treibt einen in den Wahnsinn. Denken Sie nur daran, was dieser Prozeß mit Ihnen angestellt hat: kein Schlaf, kein Essen, keine
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