Die Jury
Niggers würden Sie bitter bereuen. Ihre Familie müßte dafür bezahlen. Vielleicht dauert es Jahre, aber früher oder später erwischen wir Sie.«
Der Mann warf Barry zu Boden und grub ihm die Hand ins Haar.
»Diese Sache bleibt unter uns, verstanden? Wenn Sie jemandem davon erzählen, stirbt eines Ihrer Kinder, klar?«
Die beiden Gestalten verschwanden. Acker atmete tief durch und keuchte fast. Er rieb sich die Kehle und den Hinterkopf, hockte in der Dunkelheit und war viel zu entsetzt, um aufzustehen.
42
E s war noch dunkel, als sich die schwarzen Gläubigen vor zahllosen kleinen Kirchen im Norden von Mississippi versammelten. Sie kamen mit Picknickkörben, Kühltaschen, Thermoskannen, Klappstühlen und verstauten alles in umgerüsteten Schulbussen und Kleintransportern. Freunde begrüßten sich und unterhielten sich aufgeregt über den Prozeß. Schon seit Wochen sprachen sie über Carl Lee Hailey, und jetzt konnten sie ihm endlich helfen. Viele von ihnen waren alt und lebten im Ruhestand, aber es trafen auch ganze Familien mit Kindern ein. Als in den Bussen alle Plätze besetzt waren, zwängten sich die anderen in ihre Autos und folgten den Predigern. Sie sangen und beteten. In anderen Orten schlossen sich ihnen weitere Gruppen an, und bald rollten immer mehr Fahrzeuge über die dunklen Highways. Als die Sonne aufging, zog eine lange Pilgerkarawane über die nach Ford County führenden Straßen.
In Clanton entstanden schon nach kurzer Zeit Staus. Die Schwarzen ließen ihre Wagen einfach stehen und setzten den Weg zu Fuß fort.
Der dicke Colonel hatte gerade gefrühstückt, stand beim Pavillon und hielt aufmerksam Ausschau. Dutzende von hupenden Bussen näherten sich aus allen Richtungen dem Platz, die Absperrungen wurden aber nicht durchbrochen. Der Kommandeur rief Befehle. Soldaten eilten hin und her und vergrößerten noch die wachsende Aufregung. Um halb acht rief der Colonel den Sheriff an und informierte ihn von der Invasion. Ozzie erreichte den Platz kurze Zeit später, suchte Agee und hörte von ihm, es handele sich um eine friedliche Demonstration, eine Art Sit- in. »Wie viele erwarten Sie?« fragte Walls. »Tausende,« antwortete Agee. »Tausende.«
Die Schwarzen schlugen ihr Lager unter den großen Eichen auf, schlenderten über den Rasen und sahen sich neugierig um. Sie rückten Tische, Stühle und Kisten zurecht. Es ging tatsächlich friedlich zu, bis jemand den bereits vertrauten Schlachtruf »Freiheit für Carl Lee!« anstimmte. Andere wiederholten ihn aus vollem Hals. Es war noch nicht acht Uhr.
Ein schwarzer Radiosender in Memphis forderte seine Zuhörer früh am Dienstagmorgen zur Mobilmachung auf. Schwarze wurden gebraucht, um im nahen Clanton, Mississippi, zu marschieren und zu demonstrieren. Hunderte von Wagen vereinten sich zu einer Kolonne und rollten nach Süden. Alle Bürgerrechtsaktivisten und schwarzen Politiker brachen auf.
Agee benahm sich wie ein Besessener. Er lief kreuz und quer über den Platz und benutzte ein Megaphon, um Anweisungen zu erteilen. Er führte Neuankömmlinge zu ihren Plätzen. Er organisierte die schwarzen Prediger. Er versicherte Ozzie und dem Colonel, alles sei in bester Ordnung.
Es war tatsächlich alles in bester Ordnung – bis einige Kluxer erschienen. Viele der Schwarzen sahen den Klan nun zum erstenmal, und sie reagierten ziemlich laut, drängten vor und schrien. Nationalgardisten umgaben die weißen Kutten und schützten sie. Die erschrockenen Klanmitglieder gaben keinen Ton von sich.
Um halb neun waren die Straßen in Clanton hoffnungslos verstopft. Überall standen Kleintransporter und Busse, selbst in den Wohnvierteln. Überall waren Schwarze auf dem Weg zum Stadtplatz. Das Verkehrschaos entsprach dem einer Großstadt. Geparkte Fahrzeuge blockierten Zufahrten. Geschäftsleute mußten zu Fuß gehen. Der Bürgermeister stand im Pavillon, ruderte mit den Armen und verlangte von Ozzie, etwas zu unternehmen. Um ihn herum ertönten Sprechchöre aus Tausenden von Kehlen. Ozzie fragte, ob er damit beginnen solle, alle Leute auf dem Platz zu verhaften.
Noose hielt an einer Tankstelle, fast einen Kilometer vom Countygefängnis entfernt. Zusammen mit einer Gruppe von Schwarzen wanderte er zum Gerichtsgebäude. Seine Begleiter musterten ihn neugierig, schwiegen jedoch. Niemand von ihnen erkannte ihn als Richter. Buckley und Musgrove stellten ihre Wagen auf einer Zufahrt an der Adams Street ab. Sie fluchten, als sie zum Platz gingen. Unterwegs bemerkten
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