Die Jury
Jake bewegte sich betont langsam, als er seine Akten ordnete.
Die ganze Zeit über beobachtete er Rodeheaver.
»Ich glaube, wir haben von diesem Zeugen genug gehört, Euer Ehren.«
»Weitere Fragen, Mr. Buckley?«
»Nein, Sir. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Beweisführung abgeschlossen.«
Noose wandte sich an die Jury. »Meine Damen und Herren, der Prozeß ist jetzt fast zu Ende. Es werden keine zusätzlichen Zeugen aufgerufen. Ich erörtere nun einige verfahrenstechnische Dinge mit den Anwälten, und anschließend bekommen sie Gelegenheit, ihre Schlußplädoyers zu halten. Sie beginnen um zwei und dauern etwa bis vier. Anschließend überlasse ich den Fall Ihnen, und daraufhin können Sie sich bis um sechs beraten. Wenn Sie heute nicht zu einem Urteil finden, bringt man Sie in Ihr Quartier zurück, und dann setzen Sie Ihre Beratungen morgen fort. Es ist jetzt fast elf, und ich unterbreche die Verhandlung bis um zwei. Die Anwälte begleiten mich bitte in mein Büro.«
Carl Lee beugte sich vor, und zum erstenmal seit Samstag sprach er mit seinem Verteidiger. »Sie haben ihn ordentlich durch die Mangel gedreht, Jake.«
»Warten Sie, bis Sie mein Schlußplädoyer hören.« Jake ging Harry Rex aus dem Weg und fuhr nach Karaway. Das Heim seiner Kindheit war ein altes Landhaus, umgeben von hohen Eichen, Ahornbäumen und Ulmen, die im Sommer für angenehme Kühle sorgten. Hinter dem Gebäude schloß sich ein fast zweihundert Meter langes Feld an die Bäume an und reichte bis zu einem kleinen Hügel. Ein Teil dieses offenen Bereichs war mit feinmaschigem Draht abgeschirmt. Dort hatte Jake laufen gelernt, dort fuhr er sein erstes Fahrrad, warf seinen ersten Football und Baseball. Unter der Eiche daneben hatte er drei Hunde, einen Waschbär, ein Kaninchen und mehrere Enten begraben. Der Reifen eines 54er Buick baumelte unweit des kleinen Friedhofs von einem Ast.
Seit zwei Monaten stand das Haus leer. Ein Junge aus der Nachbarschaft mähte den Rasen und kümmerte sich um den Gemüsegarten. Jake sah hier einmal in der Woche nach dem rechten. Seine Eltern reisten jetzt mit ihrem Wohnwagen durch Kanada – das übliche Sommerritual. Er wünschte sich, bei ihnen zu sein.
Vorsichtig schloß er die vordere Tür auf und ging nach oben in sein Zimmer. An den Wänden hingen Mannschaftsbilder, Siegerurkunden, Baseballmützen, Poster von Pete Rose, Archie Manning und Hank Aaron. Auf dem Schrank lagen mehrere Baseball-Handschuhe, auf der Kommode Mütze und Trikot.
Jakes Mutter ließ hier alles an seinem Platz. Einmal hatte sie zu ihm gesagt, daß sie oft in diesen Raum gehe und erwarte, daß ihr Sohn dort noch seine Hausaufgaben erledige oder spiele. Dabei blätterte sie durch Fotoalben, und ihre Augen wurden feucht. Er dachte an Hannas Zimmer mit den Plüschtieren und der bunten Tapete. Ein Kloß formte sich in seinem Hals.
Gedankenverloren blickte er aus dem Fenster, an den Bäumen vorbei, und glaubte zu sehen, wie er im Reifen saß und schaukelte, in der Nähe jener drei weißen Kreuze, unten denen seine Hunde begraben lagen. Er erinnerte sich an jedes Begräbnis und an das jeweilige Versprechen seines Vaters, ihm einen anderen Hund zu kaufen. Dann dachte er wieder an Hanna und ihren Max und wischte eine Träne fort.
Das Bett wirkte jetzt viel kleiner. Jake streifte die Schuhe ab und streckte sich darauf aus. Ein Footballhelm hing von der Decke herab. Achte Klasse, Karaway Mustangs. Sieben Touchdowns in fünf Spielen hatte er erzielt. Die Filmkassetten mit den entsprechenden Aufnahmen ruhten unten in den Bücherregalen. Er spürte ein flaues Gefühl in der Magengrube und erhob sich.
Behutsam legte er die Notizen – seine Notizen, nicht die Luciens – auf den nahen Tisch und beobachtete sich im Spiegel.
Nach den Ausführungen Buckleys wandte sich Jake an die Jury und begann sein Plädoyer, indem er das größte Problem ansprach: Dr. W. T. Bass. Ein Rechtsanwalt kommt in den Gerichtssaal, tritt unbekannten Geschworenen gegenüber und kann ihnen nur seine Glaubwürdigkeit anbieten. Wenn er diese Glaubwürdigkeit durch irgend etwas in Frage stellt, so schadet er seinem Klienten. Jake versicherte den Zuhörern, daß er nie einen verurteilten Schwerverbrecher wissentlich als Sachverständigen aussagen lassen würde. Er hatte nichts von der Verurteilung gewußt, hob die Hand und schwor es. »Die Welt ist voller Psychiater, und es wäre mir nicht schwer gefallen, einen anderen zu finden, um Bass zu ersetzen. Aber ich wußte
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