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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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und sah das brennende Kreuz vor Jakes Haus. Er parkte hinter dem Saab auf der Zufahrt, klingelte, ging auf die Veranda und beobachtete die Flammen. Es war fast halb vier. Noch einmal drückte er den Klingelknopf. Fünfzehn Meter entfernt loderte das Kreuz; verkohlendes Holz knisterte und knackte. Schließlich wankte Jake nach draußen, erstarrte neben dem Deputy und riß die Augen auf. Die beiden Männer standen Seite an Seite, wie hypnotisiert nicht nur von dem Kreuz, sondern auch von seinem Zweck.
    »Morgen, Jake«, sagte Prather nach einer Weile und starrte weiterhin zum Feuer.
    »Wer ist dafür verantwortlich?« fragte Brigance mit rauher, heiserer Stimme.
    »Keine Ahnung. Die Kerle haben keine Visitenkarte hinterlassen. Jemand rief an und erzählte uns davon.«
    »Wann?«
    »Vor einer Viertelstunde.«
    Eine leichte Brise zerzauste Jakes Haar, und er strich es glatt.
    »Wie lange brennt das Ding?« erkundigte er sich, obwohl Prather von in Flammen stehenden Kreuzen auch nicht viel wußte.
    »Ist wahrscheinlich in Kerosin getränkt. So riecht's jedenfalls. Vielleicht brennt es noch zwei Stunden lang. Soll ich einen Feuerwehrwagen rufen?«
    Jake sah zur Straße. Dunkelheit und Stille umhüllte alle Häuser.
    »Nein. Ich möchte niemanden wecken. Soll es ruhig weiterbrennen. Kann doch nicht schaden, oder?«
    »Es ist Ihr Garten.«
    Prather rührte sich nicht, stand wie angewurzelt – die Hände in den Taschen, der Bauch weit über den Gürtel gewölbt. »Solche Kreuze hatten wir hier schon lange nicht mehr. Das letzte stellte man meines Wissens in Karaway auf, neunzehnhundert...«
    »Neunzehnhundertsiebenundsechzig.«
    »Sie erinnern sich?«
    »Ja. Ich besuchte damals die High-School. Wir fuhren los und sahen uns das Feuer an.«
    »Und der Name des Niggers?«
    »Robinson. Den Vornamen habe ich vergessen. Es hieß damals, er hätte Velma Thayer vergewaltigt.«
    »Stimmte das?« fragte Prather.
    »Die Geschworenen glaubten es. Verpaßten ihm eine lebenslängliche Freiheitsstrafe in Parchman.«
    Prather nickte zufrieden.
    »Ich hole Carla«, murmelte Jake und verschwand im Haus.
    Kurze Zeit später trat er mit seiner Frau auf die Veranda. »Um Himmels willen, Jake! Wer hat das getan?«
    »Was weiß ich.«
    »Der Ku-Klux-Klan?« brachte Carla hervor.
    »Wahrscheinlich«, antwortete Prather. »Ich kenne sonst niemanden, der Kreuze verbrennt. Was meinen Sie, Jake?« Brigance nickte mit dem Kopf.
    »Ich dachte, die Typen hätten Ford County vor vielen Jahren verlassen«, sagte der Deputy.
    »Jetzt scheinen sie zurückgekehrt zu sein«, brummte Jake. Carla preßte sich entsetzt die Hand auf den Mund, und im Licht des Feuers wirkte ihr Gesicht rot. »Unternimm etwas dagegen«, wandte sie sich an ihren Mann. »Bitte!«
    Jake sah noch einmal zur Straße und beobachtete erneut die anderen Häuser. Das Knistern und Knacken wurde lauter; die orangefarbenen Flammen züngelten höher. Einige Sekunden lang wünschte er sich, daß die Glut so rasch wie möglich erlöschen würde, damit niemand anderes Zeuge dieses nächtlichen Zwischenfalls wurde. Er hoffte, daß in Clanton niemand davon erfuhr. Dann lächelte er über diesen närrischen Gedanken.
    Prather seufzte und ließ erkennen, daß er es satt hatte, auf der Veranda zu stehen. »Äh, Jake, ich spreche nicht gern darüber, aber nach den Zeitungen zu urteilen, haben die Jungs, die das getan haben, den falschen Anwalt erwischt, oder?«
    »Vielleicht können sie nicht lesen.«
    »Ja.«
    »Sagen Sie, Prather... Kennen Sie aktive Klanmitglieder in dieser County?«
    »Kein einziges. Weiter im Süden von Mississippi soll es einige geben, aber nicht hier. Zumindest weiß ich von keinen. Nach Meinung des FBI gehört der Klan längst der Vergangenheit an.«
    »Trotzdem gefällt mir das nicht.«
    »Wieso?«
    »Wenn wir diese Sache Mitgliedern des Klans zu verdanken haben, so stammen sie nicht von hier und kommen von außerhalb. Was bedeutet, daß sie es ernst meinen, oder?«
    »Keine Ahnung«, sagte Prather. »Ich fände es noch bedenklicher, wenn hiesige Bürger mit dem Klan zusammenarbeiten. Es wäre vielleicht ein Hinweis darauf, daß der KKK bei uns wieder aktiv wird.«
    »Was hat es mit dem Kreuz auf sich?« Carla sah den Deputy an.
    »Es ist eine Warnung, soll heißen: Wenn ihr weiterhin Unsinn anstellt, verbrennen wir mehr als nur ein wenig Holz. Auf diese Weise haben die Kluxer jahrelang Weiße eingeschüchtert, die mit Niggern und der Bürgerrechtsbewegung sympathisierten. Wenn

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