Die Jury
entlassen wurde – und wenn kaum Gefahr bestand, daß sich der Betreffende aus dem Staub machte –, schrieb sein Bekannter die Bürgschaft aus. Für Brigances Klienten galten besondere Bedingungen. Zum Beispiel: fünf Prozent jetzt und der Rest in einem Monat. Jake konnte Leroy jederzeit aus dem Gefängnis holen, aber er brauchte ihn, um auf Carl Lee Druck auszuüben.
»Es tut mir leid, Leroy«, sagte er im Zimmer mit dem Alkoholmeßgerät. »Die Sache mit der Bürgschaft erfordert noch etwas mehr Zeit.«
»Aber Sie haben doch gesagt, meine Entlassung sei überhaupt kein Problem.«
»Ihrer Familie fehlt das Geld, Leroy. Und ich kann die Kaution nicht aus der eigenen Tasche bezahlen. Ich möchte selbst, daß man Sie entläßt – damit Sie arbeiten und etwas verdienen. Nur so kann ich mein Honorar von Ihnen bekommen.«
Leroy seufzte. »Na schön, Mr. Jake. Bitte geben Sie sich auch weiterhin Mühe.«
»Das Essen ist hier ziemlich gut, oder?« fragte Jake und lächelte.
»Nicht übel. Aber zu Hause schmeckt's besser.«
»Ich hole Sie hier raus«, versprach der Anwalt.
»Wie geht's dem Nigger, den ich niedergestochen habe?«
»Keine Ahnung. Ozzie meinte, er liege noch im Krankenhaus, und Moss Tatum sagte, er sei inzwischen daheim. Wer weiß? Ich glaube nicht, daß er schwer verletzt ist.«
Jake versuchte, sich an die Einzelheiten dieses Falles zu erinnern.
»Wer war die Frau?«
»Willies Puppe.«
»Willie wer?«
»Willie Hoyt.«
Jake überlegte erneut und trachtete danach, sich die Anklageschrift ins Gedächtnis zu rufen. »Der Mann, den Sie mit dem Messer gekitzelt haben, heißt anders.«
»Curtis Sprawling.«
»Bei der Auseinandersetzung ging es also um die Frau eines anderen Mannes?«
»Ja.«
»Wo befand sich Willie?«
»Er nahm an dem Kampf teil.«
»Gegen wen kämpfte er?«
»Gegen einen anderen Burschen.«
»Sie und drei andere Typen stritten sich also um Willies Frau?«
»Sie haben's erfaßt.«
»Welchen Anlaß gab es dafür?«
»Ihr Mann war nicht in der Stadt.«
»Die Frau ist verheiratet?«
»Ja.«
»Und wie heißt ihr Mann?«
»Johnny Sands. Wenn er nicht in der Stadt ist, kommt es fast immer zu einer Auseinandersetzung.«
»Warum?«
»Weil seine Süße keine Kinder hat und auch gar keine haben kann. Aber sie liebt Gesellschaft, verstehen Sie? Wenn ihr Mann Clanton verläßt, spricht sich das sofort herum. Und wenn sie in einer Kneipe auftaucht, fliegen kurze Zeit später die Fetzen.«
Bestimmt erwartet uns ein interessanter Prozeß, dachte Jake. »Aber diesmal kam sie in der Begleitung von Willie Hoyt.«
»Ja. Was jedoch überhaupt nichts bedeutet. Wenn die Mieze erscheint, steht sie sofort im Mittelpunkt. Alle wollen ihr einen Drink spendieren und mit ihr tanzen. Das passiert dauernd.«
»Muß eine tolle Frau sein.«
»Oh, Mr. Jake, sie ist hinreißend. Sie sollten sie sehen.«
»Ich sehe sie vor Gericht, im Zeugenstand.«
Leroy blickte ins Leere, lächelte, träumte und sehnte sich nach der Ehefrau von Johnny Sands. Was spielte es für eine Rolle, daß ihm zwanzig Jahre Freiheitsentzug drohten? Er hatte in einem Kampf bewiesen, daß er seinen Mann stand.
»Hören Sie, Leroy... Sie haben doch nicht mit Carl Lee gesprochen, oder?«
»Natürlich habe ich das. Wir sitzen in der gleichen Zelle und unterhalten uns dauernd. Womit sollen wir uns sonst die Zeit vertreiben?«
»Hat er etwas von unserem gestrigen Gespräch erfahren?«
»Nein. Ich habe doch geschworen, ihm nichts zu verraten.«
»Gut.«
»Eines steht fest, Mr. Jake: Er ist besorgt. Wartet noch immer darauf, daß sein neuer Anwalt zu ihm kommt. Wird immer unruhiger. Ich mußte mir auf die Zunge beißen, um ihm nichts zu erzählen. Hab' ihm nur gesagt, daß Sie mich vertreten.«
»Daran gibt es nichts auszusetzen.«
»Er meinte, Sie hätten ihn immer im Gefängnis besucht, um den Fall mit ihm zu besprechen und so. Er bezeichnete Sie als guten Anwalt.«
»Aber offenbar bin ich nicht gut genug für ihn.«
»Carl Lee scheint mir ziemlich durcheinander zu sein«, sagte Leroy. »Er weiß nicht mehr, wem er vertrauen soll. Er ist kein übler Kerl.«
»Sie verraten ihm nicht, worüber wir geredet haben, klar? Es muß vertraulich behandelt werden.«
»Ja, in Ordnung. Aber jemand sollte ihm die Situation erklären.«
»Er hat sich nicht mit mir beraten, bevor er beschloß, auf meine Dienste zu verzichten und die eines anderen Anwalts in Anspruch zu nehmen. Er ist erwachsen und hat ein Recht darauf, eigene
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