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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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verrückt, Leroy.«
    »Na schön, ich bin verrückt. Warte nur ab, wer auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert. Warte nur ab, wie hart der Typ an deinem Fall arbeitet.«
    »Warum glaubst du, ein solcher Experte zu sein?«
    »Du hast mich gefragt, und ich habe dir geantwortet.« Carl Lee ging zur Tür, griff nach den Gitterstäben und schloß große Hände darum. In den vergangenen Wochen war die Zelle immer kleiner geworden, und es fiel ihm schwerer, nachzudenken und zu planen. Im Gefängnis konnte er sich nicht richtig konzentrieren. Er wußte nur, was man ihm mitteilte, und es gab niemanden, dem er vertraute. Gwen mangelte es an kühler Vernunft. Ozzie schwieg meistens. Lester war in Chicago. Er traute nur Jake, hatte sich jedoch einen anderen Anwalt genommen. Der Grund hieß Geld. Eintausendneunhundert Dollar in bar, bezahlt von dem größten Halunken und Drogenhändler in Memphis, dessen Anwalt darauf spezialisiert war, Halunken, Drogenhändler und andere Ganoven zu verteidigen. Vertrat Marscharfski auch anständige Leute? Was dachten die Geschworenen, wenn sie Carl Lee neben Marscharfski am Tisch der Verteidigung sahen? Bestimmt hielten sie ihn dann für schuldig. Warum sonst sollte er sich von einem solchen Rechtsverdreher verteidigen lassen?
    »Weißt du, was die Rednecks in der Jury denken, wenn sie dich mit Marscharfski sehen?« fragte Leroy.
    »Was?«
    »Sie werden denken: Dieser arme Nigger ist schuldig; er hat seine Seele verkauft, damit der bekannteste Winkeladvokat aus Memphis hier vor Gericht behaupten kann, er sei unschuldig.«
    Hailey murmelte etwas.
    »Du bist auf dem besten Weg zur Gaskammer, Carl Lee.«
    Moss Junior Tatum war im Dienst, als um halb sieben am Sonntagmorgen das Telefon in seinem Büro klingelte. Der Sheriff war am Apparat.
    »Warum sind Sie schon wach?« fragte Moss.
    »Ich weiß nicht, ob ich wach bin«, erwiderte Ozzie. »Hören Sie, Moss... Erinnern Sie sich an einen alten schwarzen Prediger namens Street? Reverend Isaiah Street?«
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Vielleicht doch. Fünfzig Jahre lang predigte er in der Springdale Church, im Norden der Stadt. Das erste NAACPMitglied in Ford County. In den sechziger Jahren brachte er den hiesigen Schwarzen bei, wie man Protestmärsche und Boykotts veranstaltet.«
    »Ja, jetzt fällt's mir wieder ein. Der Klan hat ihn einmal erwischt, wie?«
    »Sie verprügelten ihn und steckten sein Haus in Brand. Nichts Ernstes. Im Sommer 1965.«
    »Starb er nicht vor einigen Jahren?«
    »Nein. Seit einem Jahrzehnt ist er halb tot, aber er bewegt sich noch immer ein wenig. Um fünf Uhr dreißig hat er mich angerufen und eine Stunde lang mit mir geredet. Erinnerte mich daran, daß ich ihm den einen oder anderen Gefallen schulde.«
    »Was wollte er?«
    »Um sieben trifft er bei Ihnen ein. Möchte mit Carl Lee sprechen. Der Grund dafür ist mir ein Rätsel. Aber seien Sie freundlich zu ihm. Stellen Sie ihm mein Büro zur Verfügung. Ich komme später.«
    »Alles klar, Sheriff.«
    In seiner Glanzzeit während der sechziger Jahre war Reverend Isaiah Street die treibende Kraft hinter den Bürgerrechtsaktivitäten in Ford County gewesen. Er demonstrierte mit Martin Luther King in Memphis und Montgomery. Er organisierte Proteste in Clanton, Karaway und zwei anderen Orten im nördlichen Mississippi. Im Sommer 1964 empfing er Studenten aus dem Norden und koordinierte ihre Bemühungen, Schwarze in den Wählerverze ichnissen zu registrieren. In jenem denkwürdigen Sommer wohnten einige von ihnen bei ihm, und noch heute kamen sie gelegentlich zu Besuch. Street war kein Radikaler, sondern ein bedächtiger, mitfühlender und intelligenter Mann, der den Respekt aller Schwarzen und auch vieler Weißer genoß. Er stellte eine ruhige, friedliche Stimme im Chor des Hasses und der Kontroversen dar. 1969 leitete er inoffiziell die Desegregation im Schulwesen und hielt das Chaos aus Ford County fern.
    1975 erlitt er einen Schlaganfall, der die rechte Körperhälfte lähmte, jedoch ohne Einfluß auf den Verstand geblieben war. Jetzt, im Alter von achtundsiebzig Jahren, ging er ohne Hilfe – wenn auch langsam und mit einem Spazierstock. Er strahlte noch immer stolze Würde aus, als er das Büro des Sheriffs betrat und sich setzte. Kaffee lehnte er ab, und Moss Junior verließ das Zimmer, um den Gefangenen zu holen.
    »Sind Sie wach, Carl Lee?« flüsterte er, um zu vermeiden, daß die anderen Häftlinge geweckt wurden. Sie hätten das Frühstück verlangt, oder Arzneien,

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