Die Juwelen des Scheichs
dass ich wieder mein Herz verliere, redete er sich ein. In gewisser Weise konnte er sie so auf Abstand halten.
Die Anspannung ließ ein wenig nach. Bald würden sie wieder eine Nacht zusammen verbringen …
Kurz nach dem Morgengrauen stand Gina auf. Die Sonne hatte die Nacht vertrieben und kündete einen neuen Tag an. Nachdem sie geduscht und sich angezogen hatte, ging sie auf direktem Weg in die Bibliothek.
Sie nahm vier schwere Geschichtsbände aus dem Regal und trug sie zu einem langen Tisch aus lackiertem Holz, der vor einer Reihe schmaler Fenster stand. Von draußen erklang der Ruf des Muezzins, der die Gläubigen zum Gebet rief. Einen Moment schloss Gina die Augen, um der Stimme zu lauschen. Dann öffnete sie das erste dicke Buch auf dem Tisch.
Die Messinglampen an den Wänden, im marokkanischen Stil gearbeitet, leuchteten noch von der Nacht und schenkten dem dämmrigen Raum neben der Sonne zusätzliche Helligkeit. Gina fand verschiedene interessante Hinweise auf Zahirs Familiengeschichte. Erst als sie merkte, dass schon zwei Stunden vergangen waren, stellte sie die Bücher schnell zurück und eilte auf die Terrasse, wo Jack und das Frühstück schon auf sie warteten.
„Guten Morgen, Gina. Ich habe gehört, dass du gestern mit der verwitweten Schwester des Scheichs zusammen warst. Wie ist sie denn so? Genauso umwerfend wie ihr imposanter Bruder? Oder hat sie, was das Aussehen betrifft, den Kürzeren gezogen?“
„Um Gottes willen, Jack. Wo bleibt dein Anstand? Was ist, wenn Jamal dich hört?“ Scharf sah Gina ihren taktlosen Kollegen an, bevor ihr Blick über die Terrasse schweifte. Glücklicherweise war Zahirs treuer Diener nicht in der Nähe. Nur die beiden Serviermädchen standen wartend bei der Sandsteinmauer, falls die Gäste etwas benötigten.
Jack hatte sich schon von dem opulenten Frühstück genommen und erwiderte wenig beeindruckt Ginas Blick. „Ist doch klar, dass ich neugierig bin. Wahrscheinlich ist es hier so üblich, dass sie nie wieder heiratet. Auch wegen dieser Prophezeiung, die dich so fasziniert. Sie hat sich bestimmt Hals über Kopf in ihren Mann verliebt und wird jetzt nie wieder einem anderen ihr Herz schenken. Jedenfalls nicht in diesem Leben.“
Ginas Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Sie könnte es nur zu gut verstehen, wenn Farida solch ein Gelübde abgelegt hätte. Wenn es ihr selbst nicht möglich sein sollte, wieder mit Zahir zusammenzukommen, würde sie wohl auch für den Rest ihrer Tage allein bleiben.
„Was für eine Verschwendung. Meinst du nicht auch?“
„Was hast du gesagt?“
„Ich glaube, dieser Palast hypnotisiert dich irgendwie. Ständig hast du diesen abwesenden Blick in den Augen.“
Schweigend nahm Gina sich von dem Brot und den Oliven. Bald müsste sie Jack von dem Zusatzjob erzählen – aber noch nicht. Zuerst wollte sie ihre restlichen Nachforschungen über das Heart of Courage vorstellen. Wenn Jack seine Arbeit beendet hatte und an die Heimfahrt dachte, würde sie es ihm erzählen. Er war so ambitioniert, dass er es ihr übel nehmen würde, nicht selbst gefragt worden zu sein. Und dann hätte sie nichts mehr zu lachen.
Mädchenhaftes Gekicher drang an Zahirs Ohren, als er in seinem Arbeitszimmer in den oberen Stockwerken saß. Verwirrt runzelte er die Stirn, ging zum Fenster und sah hinaus. Die beiden Frauen saßen an dem Tisch mit der Marmoreinlegearbeit, der im Innenhof stand. Ein Sonnendach aus Seidentuch schützte sie vor der unerbittlichen Mittagssonne. Die eine trug das traditionelle Schwarz der Witwen, die andere ein langes korallenrotes Seidengewand und einen breiten Strohhut, der ihm ein Schmunzeln entlockte.
Die beiden so vertraut zusammen zu sehen, war wie eine Offenbarung für ihn. Selten hatten ein Anblick und der Klang eines Lachens ihn so erfreut. Ohne sich dessen bewusst zu sein, fand er sich wenig später draußen wieder. Als die Frauen ihn sahen und sich erheben wollten, winkte er ab.
„Ich hatte schon Angst, ich würde dich nie wieder lachen hören, liebe Schwester.“
„Das habe ich nur Gina zu verdanken. Siehst du, wie gut sie mir tut? Sie ist nicht nur clever und liebenswert, sondern hat auch ausgesprochen viel Sinn für Humor.“
„Ach, wirklich?“ Zahirs Blick wanderte sofort zu der hellhäutigen Frau, die neben seiner Schwester saß. Hatte in ihren blauen Augen eben noch ein Lachen gestanden, wirkte ihre Miene unter seinem forschenden Blick jetzt ernst. Das stimmte ihn traurig, auch wenn er nicht wusste,
Weitere Kostenlose Bücher