Die Juweleninsel
mit überfallen, wenn Du es für nothwendig hältst.«
»Das würde nur unser Verderben sein. Was wollen wir Zwei gegen fünfzig Phansegars beginnen?«
»Sie werden das Floß doch wohl nur heute Nacht begleiten und dann zurückkehren.«
»Sie werden das Floß begleiten, bis es das Schiff erreicht, welches die Begum fortbringen soll. In Allem, was wir beobachtet haben, liegt ein fester und gewisser Plan; das mußt Du ja auch erkannt haben. Das Floß wurde nicht nur gefertigt um den Scheiterhaufen aufzunehmen, sondern es wurde zugleich so gebaut, daß es nicht mit verbrennen konnte, und so geleitet, daß es in der Nähe des Königlichen Gartens anlegen mußte. Nun konnte es zur Fortführung der Schätze benutzt werden, und wer dies so schlau ersonnen hat, der wird wohl auch seine Maßregeln darnach getroffen haben, daß es noch vor dem Morgen ein Fahrzeug erreicht, auf dem die Begum mit ihren Reichthümern besser aufgehoben ist, als auf einem offenen Flosse.«
»Dann können wir zurückbleiben, denn alle unsere Mühe wird umsonst sein.«
»Geduld ist ein sehr heilsames Kraut, und Ausdauer überwindet Vieles. Ich werde Ihnen folgen, und wenn ich auch bis an das Ende der Erde gehen müßte!«
Nach diesem entschiedenen Ausspruche trat eine Stille ein. Jeder der zwei Männer dachte an das Ziel, welches sie sich gesteckt hatten, und an die Mittel, zu demselben zu gelangen. Endlich erhob sich der Kundschafter und griff zu einem der Apparate.
»Jetzt ist es Zeit. Wir werden sterben oder unendlich reich werden. Vorwärts!«
Sie gingen in das Wasser, nachdem sie sich ihre leichte Kleidung turbanähnlich um den Kopf geschlungen oder sie in die hohlen Gefässe verborgen hatten.
Von den Töpfen getragen, brauchten sie sich nicht sehr anzustrengen. Ihre Schnelligkeit übertraf noch diejenige eines gut geruderten Bootes, und bereits als sie kaum eine Stunde sich im Wasser befanden, verminderte Lidrah diese Raschheit und hob von Zeit zu Zeit den Kopf empor und hielt lauschend an, um zu sehen oder zu hören, ob er dem Flosse vielleicht zu nahe gekommen sei.
Zuweilen klang es wie ein leises Plätschern oder Rauschen von vorn her durch die stille Nacht herüber. Dann hielten die beiden Schwimmer an, um einige Zeit vergehen zu lassen.
So verging die Nacht, und die Zeit, in welcher sich der Morgen zu röthen beginnt, brach heran. Der Nebel lag auf dem Wasser; es war unmöglich, vorwärts zu blicken, aber die durch die Feuchtigkeit der Dünste verdichtete Luft trug dem Ohre jeden Laut mit doppelter Deutlichkeit zu.
Plötzlich hielt Lidrah inne.
»Hörtest Du etwas?« frug er den dicht neben ihm schwimmenden Bruder.
»Ja.«
»Was?«
»Den Ruf, welchen die Schiffer ausstoßen, wenn etwas an Bord gehoben wird.«
»Richtig. Wir haben ein Schiff vor uns. Vielleicht ist es dasjenige, welches die Phansegars suchen. Rudere hinüber nach jener Landzunge und warte, bis ich wiederkehre. Ich werde einmal sehen, wen wir vor uns haben.«
Kaldi folgte diesem Gebote. Es ragte in das Wasser ein schmaler Landstreifen herein, dem er zusteuerte, um sich dort im hohen Grase niederzuwerfen. Er hatte nicht allzulange gewartet, als sein Bruder bereits wieder zurückkehrte.
»Trafst Du etwas?« frug er ihn.
»Ja. Wir haben sie erreicht und sind ganz nahe bei ihnen. Hier hüben auf unserer Seite liegt ein langes schmales Gangesschiff mit einem Maste und drei Segeln.«
»Und das Floß?«
»Hat bei ihm angelegt und gibt Alles an Bord, was sich auf ihm befindet.«
»Verloren also!«
»Was?«
»Der Schatz.«
»Noch nicht. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als auch an Bord zu gehen.«
»Ah so! Aber wann? Jetzt?«
»Nein. Der Phansegar kennt mich ja sehr genau und hat mir sogar mit dem Tode gedroht. Uebrigens würde es sehr auffallen, wenn wir jetzt zwischen Nacht und Morgen und an einem von Menschen unbewohnten Orte ein Schiff anfragen wollten, ob es uns mitnehmen will.«
»Es fragt sich, ob es uns überhaupt aufnehmen wird.«
»Es gibt ein sicheres Mittel.«
»Welches?«
»Einem Pilger wird niemals von einem Schiffe die Aufnahrne verweigert.«
»So wollen wir uns für Pilger ausgeben?«
»Ja.«
»Wohin?«
»Das Schiff will jedenfalls bis hinunter nach Kalkutta, denn die Begum ist nur dann sicher, wenn sie Indien ganz verläßt, daher müssen wir es so einzurichten suchen, daß wir bis dorthin mitfahren können, ohne aussteigen zu müssen. Wir gehen also nicht nach einem heiligen Orte, sondern wir kommen von einem solchen.«
»Von
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