Die Juweleninsel
scharf aber auch glatt bergunter.«
»Nun wohl, so steige ich aus. Du fährst nach dem Schlosse, wo wir uns wieder treffen.«
Er warf den Mantel ab und stieg aus. Jetzt konnte man erkennen, daß seine Figur klein und schmächtig war, aber eine jede seiner Bewegungen zeigte eine seltene Gewandtheit. Nach einigen raschen Schritten hatte er die Mündung des Pfades erreicht und schlug ihn ein. Der Weg war nicht breit, aber die offene Linie, welche er im Walde bildete, zog sich gerade dem brennenden Schlosse gegenüber zur Höhe, und so beleuchteten die Flammen fast jeden Schrittbreit, den der Fremde zu thun hatte.
Dieser sprang mehr vorwärts, als er ging. Er mußte im Laufen sehr geübt sein, denn er athmete trotz seiner schnellen Bewegungen ruhig und unhörbar und that trotz der Unbekanntschaft mit dem Terrain nicht einen einzigen Fehltritt. Unten angekommen, wo der Weg zum letzten Male in die Straße mündete, hielt er an. Vor ihm stand eine verschlossene Kutsche, und dabei stand in wartender Stellung der Kutscher beim geöffneten Schlage. Das kam ihm sonderbar vor.
»Guten Abend!« grüßte er.
»Guten Abend!« dankte der Mann mürrisch.
»Wem gehört dieses Fuhrwerk?«
»Mir.«
»Dir? Auf wen wartest Du?«
»Das geht keinen Menschen etwas an.«
»Wohin fährst Du?«
»Das ist meine Sache.«
»Grobian! Weißt Du, daß Du mir verdächtig bist?«
»Du mir auch.«
Der Kleine lachte.
»Kerl, Du gefällst mir. Hier hast Du ein Andenken.«
Nach einem raschen Blicke in die Kutsche, welcher ihn überzeugte, daß dieselbe leer war, holte er aus und gab dem höflichen Kutscher eine schallende Ohrfeige. Er war bereits weit entfernt, ehe der Geschlagene an eine Erwiderung der unerwarteten Gabe denken konnte.
Die Straße zog sich in Schlangenwindungen nach dem Dorf fort. Er folgte ihr auch jetzt nicht, sondern schlug den geraden Weg durch die Büsche hindurch nach dem Schlosse ein. Er hatte bereits die Hälfte dieses Weges zurückgelegt, als er plötzlich zur Seite prallte. Er wäre beinahe mit einem Manne zusammengerannt, der in Eile zwischen zwei Sträuchern hervortrat. Hinter diesem folgte ein Anderer, der eine Last auf den Armen hatte.
»Was wollten diese Leute hier? Was trugen sie vom Schlosse fort?«
»Halt!« gebot er ihnen.
Da wandte sich aber auch schon der Vorderste um, riß dem Zweiten die Last aus den Händen und rief in befehlendem Tone:»Mache es mit ihm ab!«
Nach diesen Worten verschwand er zwischen den Büschen. Der Andere trat hart an den Fremden heran und frug: »Wer sind Sie?«
»Pah! Wer seid Ihr Beide?«
»Darnach hat kein Mensch zu fragen!«
»Aber ich frage dennoch. Was trug dieser Mann?«
»Packe Dich, Kerl, und laß uns ungeschoren.«
Er wollte seinem Gefährten nachfolgen, aber der Fremde hielt ihn fest.
»Bleib stehen, mein Schatz! Dort brennt es; hier schleicht Ihr mit einem Gegenstande durch den Wald: Du wirst mit mir zum Schlosse gehen. Verstanden?«
»Sehr gut. Du aber wirst Dich zum Teufel packen. Verstanden?«
»Auch sehr gut. Aber ohne Dich darf ich beim Teufel nicht erscheinen. Vorwärts.«
»Lächerlich! Verschwinde, Du Zwerg!«
Er faßte den Fremden und wollte ihn zu Boden schleudern, hatte sich aber sichtlich an der Körperkraft desselben verrechnet, denn in demselben Augenblicke lag er selbst am Boden, und der Kleine kniete auf ihm.
»Bist ein fürchterlicher Riese!« lachte dieser. »Komm her, ich werde Dir die Hände ein wenig binden und Dich am Schlosse etwas näher betrachten lassen!«
Er zog ein Taschentuch hervor, um dasselbe als Fessel anzuwenden, mußte aber dabei die eine Hand Hartigs freigeben. Dieser langte blitzesschnell in die Tasche, riß ein Terzerol hervor, spannte mit dem Daumen den Hahn und drückte los.
Der Kleine hatte kaum noch Zeit, den Kopf zur Seite zu wenden, die Kugel flog hart an demselben vorüber.
»Ah, Du stichst, Natter!« rief er. »Gib dieses Spielzeug her.«
Er faßte nach dem Terzerol, um ihm dasselbe aus der Hand zu winden.
»Stirb, Hund!« brüllte Hartig wüthend.
Er machte eine schnelle angestrengte Bewegung, es gelang ihm den zweiten Hahn aufzudrücken. Aber als er den Drücker berührte, drehte ihm der Kleine das Terzerol nach unten, der Schuß ging los.
»Ah!« ächzte Hartig. »Ich habe mich selbst getroffen.«
»Geschieht Dir recht, Bursche!«
Der Sprecher fühlte, daß der Widerstand des Verwundeten erlosch; es gelang ihm sehr leicht, ihm die Hände zusammenzubinden.
»Jetzt kommst Du mit mir!« gebot er
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