Die Juweleninsel
geworden. Um Mitternacht sollte Maletti mit zweihundert neu eingetroffenen Reitern die Hauptstadt verlassen. Als er sich auf diesen Ritt vorbereitet hatte, beschloß er, zum ersten Male von der Erlaubniß Rabbadahs, sie aufzusuchen, Gebrauch zu machen.
Nachdem er sich vergewissert hatte, daß er jetzt von dem Rajah gewiß nicht gesucht werde, schlich er sich nach dem Garten und gelangte glücklich bis vor das Kiosk in der Frauenabtheilung. Er gab das Zeichen. Drinnen ertönte sofort das Girren der Turteltaube.
Er stieg mit hoch klopfendem Herzen die wenigen Stufen empor, schob den Vorhang zur Seite und trat ein.
Da lag sie, so herrlich und prächtig, wie er trotz ihrer Schönheit sie sich niemals hätte ausmalen können. Sie streckte ihm die Hand entgegen.
»Ich wußte, daß Du kommen werdest.«
»Woher?«
»Ich hörte durch das Gitter Euren sämmtlichen Berathungen zu. Setze Dich!«
Er nahm an ihrer Seite Platz, und sie duldete es, daß er ihre Hand in der seinigen behielt.
»Werden wir hier nicht überrascht werden?« frug er.
»Nein. Ich habe meine Dienerin aufgestellt, welche mir ein Zeichen gibt, wenn jemand kommen sollte.«
»Ist es dann für mich noch rechtzeitig, das Kiosk zu verlassen?«
»Nein. Du müßtest hier bleiben.«
»Um ertappt zu werden?«
»Wieder nein. Dieses Kiosk hat nur diesen einzigen Raum, aber es birgt dennoch gar sichere Verstecke. Es ist gebaut worden, um für den Herrscher und seine Familie zu allen Zeiten und in jeder Gefahr einen sichern Zufluchtsort zu bilden, wo man wenigstens eine augenblickliche Sicherheit erlangen kann. Du gehst zum Heere?«
»Um Mitternacht.«
»Aber Du bist krank!«
»Ich bin gesund!«
Sie schüttelte mit dem Kopfe.
»Du täuschest Dich. Dein Muth und Deine Kampfbegier lassen Dich nicht auf die Schmerzen achten. Und dennoch solltest Du Dich – dem Rajah erhalten!«
»Ich erhalte mich ihm, indem ich für ihn handele.«
»Du hast mir gelobt, aufrichtig und ohne Falsch mit mir zu sein!«
»Ja.«
»So sage mir ohne Hehl, ob Du für Augh befürchtest oder hoffst.«
»Noch keines von Beiden. Wenn meine Rekognition beendet ist, werde ich Dir antworten können. Werden wir uns in den Nachbarn nicht vielleicht irren?«
»Ich denke es nicht.«
»O, die Engländer sind schlau und wissen mit Geld und glänzenden Versprechungen auch einen sonst standhaften Verbündeten zu bethören. Es wäre fürchterlich, wenn, während wir ihnen entgegengehen, Augh von einer der anderen Seiten angegriffen würde!«
»Wir würden uns vertheidigen!«
»Womit?«
»Mit unsern eigenen Händen!«
»Ich glaube es Dir. Aber Ihr würdet sterben müssen, ehe wir Hilfe bringen könnten.«
»Sterben?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Dieses Kiosk würde uns eine sichere Zuflucht bieten.«
Er warf einen scharf forschenden Blick in dem Raume umher und konnte doch nichts entdecken, was im Stande war, diese Behauptung zu bestätigen.
Sie lächelte und meinte beinahe scherzend:
»Und wenn ganz Augh verwüstet und geplündert würde, Du würdest dennoch uns und unsere Schätze hier finden, selbst wenn das Kiosk verbrannt oder zertrümmert wäre. Du brauchtest nur meinen Namen zu rufen und das Zeichen des Bülbül zu geben.«
»Wohlan, das beruhigt mich, obgleich es nicht so weit kommen wird. Jetzt aber muß ich gehen, die Mitternacht ist nahe.«
Sie erhob sich ebenfalls wie er und wand sich den Gürtel von den schwellenden Hüften.
»Du kämpfest für uns und – auch für mich. Nimm diesen Shawl von mir; er mag Deine Waffen tragen und Dir ein Talisman sein in jeder Gefahr, welche Dir droht!«
»Wird er uns dem Rajah nicht verrathen?«
»Der Rajah kennt ihn nicht; trage ihn getrost!«
Sie schlang ihm das kostbare Geschenk mit eigener Hand um die Hüften und reichte ihm dann die Rechte zum Abschiede.
»Ziehe hin und kehre siegreich wieder!«
Er vermochte nicht zu sprechen. Sie stand vor ihm, so herrlich, so entzückend und doch so rein, so hehr und hoch, daß er um keinen Preis zu der geringsten Profanation dieses Augenblickes befähigt gewesen wäre. Er drückte nur ihre Hand an sein Herz und stammelte dann: »Lebe wohl!«
Das Kiosk lag hinter ihm und eine halbe Stunde später, als er Abschied von dem Rajah genommen hatte, die Stadt. Er ritt an der Spitze seiner kleinen Truppe neben dem Führer dem Osten entgegen.
Es waren halb selige und halb bange Gefühle, welche sich in seinem Busen theilten. Die kräftigen Pferde flogen im Trabe über die weite Ebene dahin;
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