Die Juweleninsel
der Männer.
»Steigt ab und laßt Eure Pferde erst verschnaufen. Wenigstens für kurze Zeit sind wir hier jetzt sicher. Wir haben noch einen guten Ritt und müssen dann noch einmal über das Wasser.«
Er stieg mit Rabbadah ab, und die Andern folgten ihm, sich in respektvoller Entfernung von Beiden haltend. Die Begum war zwar vollständig durchnäßt, bei dem Klima Indiens aber war dies nicht gefährlich. Sie achtete nicht der triefenden Kleidungsstücke, die sich eng an ihre Gestalt anlegten; sie warf sich auf die Leichen des Bruders und der Schwägerin und benetzte sie mit heißen wortlosen Thränen.
Dann trat sie zu Maletti und reichte ihm die Hand.
»Du warst fort. Wie kamst Du als Retter zurück in diese gräßliche Noth?«
»Ich sah den Schein des Feuers und ahnte was geschehen war. Darum kehrte ich um.«
»Ich danke Dir! Weniger für meine Rettung als vielmehr dafür, daß Du mir hier diese Beiden erhalten hast. Ist Alles verloren?«
»Alles! Die Inglis haben uns am Nachmittage vollständig geschlagen; der Sultan von Symoore hat Augh genommen, und von Westen her stürmt der Rajah von Kamooh heran.«
Sie faltete die Hände und schwieg. Dann aber hob sie die Rechte zum Himmel empor. Sie stand da gleich einem überirdischen Wesen, von den Flammen der brennenden Stadt und den blutigen Reflexen des Stromes beleuchtet.
»Fluch, dreifacher Fluch diesen Inglis! Sie schimpfen und höhnen, sie treiben und hetzen, sie lügen und betrügen, sie sengen und brennen, sie plündern und morden; Fluch ihnen, tausendfacher Fluch!«
Das war ein fürchterliches Wort, und Maletti wußte nur zu gut, ob es Wahrheit oder Unwahrheit enthalte.
»Wie ist das heut nach meinem Scheiden so gekommen?« frug er. »Erzähle es mir!«
»Jetzt nicht. Ich kann nicht denken, ich kann nicht erzählen, ich kann nur fluchen, fluchen diesen Inglis und diesen Teufeln aus Symoore und Kamooh, welche uns Freundschaft heuchelten und doch mit dem Feinde buhlten, um unsere Schätze zu erhalten. Kein Mogul, kein Schah, kein Sultan und kein Maharajah hat solche Schätze wie der Maharajah von Augh, und das wußten sie. Sie wollten diese Schätze haben, aber sie sollen sie nicht erhalten. Der Maharajah von Augh, der edelste und gerechteste der Könige ist todt, verrathen von den Inglis und treulos gemordet von seinen Freunden. Seine Schätze gehören der Begum und sollen nie in ihre Hände fallen; das schwöre ich bei den Geistern der beiden Gemordeten hier zu meinen Füßen!«
Fünftes Kapitel
Nach der Juweleninsel
Der in neuerer Zeit so berühmt gewordene Wald von Koleah bestand damals aus einem einzigen großen Dickicht von Ebenholz-, Teak-und Drachenbäumen, untermischt mit riesigen Farren und hohen Schirm-, Kohl-, Areka-und Sagopalmen. Diese baumartigen Gewächse wurden umschlungen, überstrickt und verbunden von einem beinahe unzerstörbaren Netzwerke von Schling-und Lianengewächsen, welche desto üppiger wucherten und blühten, je mehr sie den Stämmen, an denen sie schmarotzend emporkletterten, den Nahrungs-und Lebenssaft raubten.
Nur einige schmale Pfade führten durch diesen Wald auf die Mitte desselben zu, wo die Ruinen eines jener indischen Tempel liegen, mit deren Großartigkeit sich nur die Ueberreste jener cyklopischen Tempelbauten auf Java zu messen vermögen.
Es war am frühen Morgen nach dem Ueberfalle von Augh, als sechs Reiter und eine Reiterin dem schmalen Schlangenpfade folgten, welcher von Augh her in den Wald von Koleah führt.
Voran ritt Alphons Maletti, der einstige Lieutenant in englischen Diensten und nachherige kurzzeitige Kriegsminister des Maharajah Madpur Sing. Ihm folgte auf einem für sie eingefangenen Pferde Rabbadah, die Begum von Augh, und dann kamen fünf Reiter, von denen zwei je eine Leiche vor sich auf dem Pferde hielten.
»Kennst Du diesen Weg auch ganz genau?« frug die Begum.
»Nein,« antwortete der Offizier.
»Und Du willst unser Führer sein!«
»Ja,« lächelte er.
»Warst Du bereits einmal hier?«
»Noch nie.«
Sie wurde ängstlich, das war ihr anzusehen.
»Und Du willst uns hier eine sichere Zufluchtsstätte verschaffen?«
»Wie es sicherer keine zweite gibt. Ich habe einen mächtigen Freund in diesem Walde und in dieser Ruine.«
»Ob er aber auch der meinige ist!«
»Er wurde der meinige nur deshalb, weil er der Deinige ist.«
»Wo ist er zu finden?«
»Das weiß ich nicht; ich werde es aber bald sehen.«
Das Gespräch stockte wieder, bis sie an eine Stelle kamen, von welcher ein
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