Die Juweleninsel
es wurde kein lautes Wort gesprochen, und nur zuweilen ließ sich in den hinteren Gliedern ein flüsternder Ton vernehmen.
Da kam ihnen rascher Hufschlag entgegen. Drei Reiter wollten an ihnen vorüber.
»Halt!« rief Maletti. »Wohin?«
»Nach Augh,« lautete die Antwort.
Die drei Reiter erkannten jetzt, daß sie es mit einer ganzen Truppe zu thun hatten, und parirten ihre Pferde.
»Zu wem?«
»Zum Maharajah.«
»Woher?«
»Vom Schlachtfelde.«
»Vom Schlachtfelde? Ah! Es ist bereits eine Schlacht geschlagen? Du meinst wohl ein Treffen, ein kleines Gefecht!«
»Nein, eine Schlacht.«
»Welchen Ausgang hatte sie?«
»Die Inglis haben gesiegt. Sie kamen schneller, als wir dachten; sie kamen von allen Seiten, und wir hatten nur Reiterei, keine Kanonen und keinen Anführer. Die Truppen von Augh sind geschlagen, sind vernichtet, sind zerstreut in alle Winde. Wer seid Ihr?«
»Ich bin der Musteschar des Maharajah und wollte zu Euch.«
»O, Sahib, denke nicht, daß wir Feiglinge waren! Siehe unsere Wunden hier! Wir haben tapfer gekämpft, aber wir konnten ihnen nicht widerstehen.«
»Ich glaube Euch. Diese Inglis haben uns verrätherischer Weise überfallen, ehe wir uns für den Kampf zu rüsten vermochten. Wo wurde die Schlacht geschlagen?«
»Bei Hobrah.«
»Wie weit ist dies von hier?«
»Du reitest in acht Stunden dahin. Wir aber sind, um die Kunde schnell zu bringen, nur fünf Stunden geritten.«
»Wann begann der Kampf?«
»Heute am Nachmittage.«
»So sind die Inglis also nur ungefähr neun Stunden von der Hauptstadt entfernt. Eilt dorthin und sagt dem Rajah, daß ich versuchen werde, die in der Umgegend des Schlachtfeldes Zerstreuten schleunigst an mich zu ziehen, um mit ihnen die Hauptstadt zu decken. Ha, ein feiger Einfall ohne Kriegserklärung! Lebt wohl!«
Schon wollte er den Ritt in beschleunigter Eile fortsetzen, als er von einem Ausrufe des Schreckes zurückgehalten wurde.
»Was ist es?«
»Siehe das Feuer dort im Westen, Sahib!«
Er blickte zurück. Gerade in der Gegend, aus welcher sie kamen, zeigte sich der Horizont geröthet; erst ein schmaler Streifen nur, dann aber mit jedem Augenblicke höher und höher steigend, nahm das Phänomen eine Dimension an, welche zum Erschrecken war.
»Das ist kein Meteor; das ist ein richtiges, ein entsetzliches Feuer!«
»Das ist der Brand nicht eines Dorfes, sondern einer ganzen großen Stadt!«
In dem Innern des Franzosen kochte es. Vor sich eine verlorene Schlacht mit einem zerstreuten Heere in den Feldern, und hinter sich – Herrgott, ja, das konnte nichts Anderes sein als die Hauptstadt Augh, welche brannte. Und wie allein nur konnte dieser Brand entstanden sein? Er gab seinem Pferde die Sporen, daß es wiehernd hoch aufstieg.
»Umgekehrt, zurück! Augh ist überfallen und in Brand gesteckt worden. Reitet, was die Pferde laufen können, und haltet Euch zuammen!«
Das gab einen Ritt, als ob eine entfesselte Hölle hinter ihnen herfege. Es bedurfte kaum einer Viertelstunde, um die beinahe zwei Stunden weite Strecke zurückzulegen. Je näher sie kamen, desto deutlicher sahen sie, daß sie sich nicht geirrt hatten. Der größte Theil der Stadt stand in Flammen; das konnte unmöglich die Folge eines einzeln in der Stadt ausgebrochenen Feuerschadens sein. Bald kamen ihnen einzelne flüchtige Reiter entgegen.
»Was ist geschehen?« frug Alphons den erstern.
»Der Sultan von Symoore hat Augh überfallen, und vom Westen ist auch schon der Rajah von Kamooh im Anzuge.«
Maletti knirschte mit den Zähnen.
»Ein längst vorbereitetes und sorgfältig geheim gehaltenes Bubenstück! Wo ist Madpur Sing, der Maharajah?«
»Niemand weiß es; Niemand hat ihn gesehen.«
»Ist der Feind stark?«
»Viele tausend Mann.«
»Wohlan! Wer geht mit mir, um den Rajah zu retten?«
»Wir Alle!«
»Bravo! Nehmt breite Linie! Jeder Reiter, welcher uns begegnet um zu fliehen, wird angehalten und muß uns folgen!«
Der Trupp donnerte weiter, und als er sich in unmittelbarer Nähe befand, bestand er aus gegen vierhundert muthigen, wohlbewaffneten Männern.
»Jetzt gerade zum Palaste des Rajah hin. Vorwärts!«
Er voran, die Andern hinter ihm drein, brausten sie wie ein Sturmwind in die Stadt hinein.
Der Feind bestand glücklicher Weise nicht mehr aus fest geschlossenen Truppenkörpern; er hatte sich zerstreut um zu plündern. Nur hier oder da fiel ein Schuß oder stellte sich ein kleinerer Trupp den todesmuthigen Reitern entgegen; aber solche Hindernisse
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