Die Kälte Des Feuers
herausfindet, daß ich Leben rette, besondere Leben … Dann kommt er, um mich zu erledigen.«
Pater Geary warf ihm einen kurzen Blick zu. »Besondere Leben? Was hat es damit auf sich?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wenn Sie ganz offen zu mir sind … Ich verspreche Ihnen, mit niemandem darüber zu reden, alles für mich zu behalten … Was auch immer der Feind sein mag - wie kann er Sie entdecken, nur weil Sie sich mir anvertrauen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie wissen es nicht?«
»Nein.«
Der Priester seufzte enttäuscht.
»Ich mache Ihnen nichts vor, Pater. Ich versuche auch nicht, mich absichtlich vage auszudrücken.« Jim rutschte ein wenig zur Seite und rückte den Sicherheitsgurt zurecht, um es bequemer zu haben. Doch sein Unbehagen war in erster Linie geistiger Natur, und es gab kein wirksames Mittel dagegen. »Haben Sie jemals den Begriff >unbewußtes Schreiben< gehört?«
Geary blickte auf die Straße. »Davon reden Medien und Leute, die übersinnliche Fähigkeiten für sich beanspruchen. Abergläubischer Unsinn. Angeblich kontrolliert ein Geist die Hand des Mediums, während es in Trance ist, es schreibt dann Nachrichten aus dem Jenseits.« Der Priester schnaubte abfällig. »Die gleichen Leute, die es für absurd halten, mit Gott zu sprechen - sie leugnen sogar die Existenz Gottes -, bejubeln jeden Schwindler, der behauptet, mit den Toten reden zu können.«
»Nun, was mich betrifft …« Jim seufzte leise. »Manchmal habe ich das Gefühl, als benutze mich jemand als Sprachrohr. Es ist eine Art orale Form des unbewußten Schreibens. Ich weiß nur deshalb, was ich sage, weil ich die Worte höre.«
»Sie sind dabei nicht in Trance?«
»Nein.«
»Sehen Sie sich als Medium?«
»Nein, das bin ich ganz gewiß nicht.«
»Glauben Sie, daß die Toten durch Sie sprechen?«
»Nein.«
»Wer dann?«
»Ich weiß es nicht.«
»Gott?«
»Vielleicht.«
»Aber Sie wissen es nicht«, sagte Geary fast verzweifelt. »Nein, ich weiß es nicht.«
»Sie sind nicht nur der seltsamste Mann, den ich jemals kennengelernt habe, Jim - Sie sind auch der frustrierendste.«
Um zehn Uhr abends erreichten sie den McCarran International Airport in Las Vegas. Nur wenige Taxis standen am Rand der Zufahrt. Inzwischen regnete es nicht mehr. Die Palmen neigten sich in einer leichten Brise hin und her, und alles wirkte wie abgeschrubbt und gereinigt.
Jim öffnete die Beifahrertür des Toyotas, als Pater Geary vor dem Terminal bremste. Er stieg aus, drehte sich um und sah durchs Seitenfenster, um noch einige letzte Worte mit dem Priester zu wechseln.
»Danke, Pater. Wahrscheinlich haben Sie mir das Leben gerettet.«
»Ganz so dramatisch war’s nicht.«
»Ich würde der Jungfrau Maria in der Wüste gern einen Teil der dreitausend Dollar spenden, die sich in meiner Brieftasche befinden, aber vielleicht brauche ich die ganze Summe. Ich weiß nicht, was mich in Boston erwartet, was ich dort kaufen und bezahlen muß.«
Der Priester schüttelte den Kopf. »Schon gut. Sie schulden mir nichts.«
»Wenn ich wieder zu Hause bin, schicke ich Ihnen etwas. Banknoten in einem Umschlag ohne Absender. Aber keine Sorge: Es ist ehrliches Geld. Sie können es annehmen, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen.«
»Das ist nicht nötig, Jim. Es genügt mir völlig, Ihnen begegnet zu sein. Vielleicht sollten Sie wissen … Nun, Sie haben etwas Mystisches in das Leben eines müden Priesters zurückgebracht, der an seiner Berufung zu zweifeln begann - und der sie jetzt nie wieder in Frage stellen wird.«
Sie wechselten einen Blick gegenseitiger Zuneigung, der sie beide überraschte. Jim beugte sich in den Wagen, und Geary ergriff seine Hand, drückte fest zu.
»Gott sei mit Ihnen«, sagte er.
»Das hoffe ich.«
24. bis 26. August
1
Holly saß an ihrem Schreibtisch in der Nachrichtenredaktion des Portland Kurier. Es war nach Mitternacht, bereits Freitagmorgen, und sie starrte auf den leeren Computermonitor. Die Journalistin fühlte sich so deprimiert, daß sie nur noch den Wunsch verspürte, nach Hause zu gehen, sich ins Bett zu legen und die Decke für einige Tage über den Kopf zu ziehen. Sie verachtete Menschen, die dauernd Selbstmitleid empfanden. Mehrmals versuchte sie, die gedrückte Stimmung abzustreifen, spürte jedoch, daß sie sich zu bemitleiden begann, weil sie auf das Niveau des Selbstmitleids gesunken war. Natürlich bemerkte sie das Komische an dieser Situation, aber sie brachte nicht genug Kraft auf, um zu lächeln.
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