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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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der Rest des Schlafs auflöste, ihn ganz von der Benommenheit befreite.
    Die verdamme Windmühle.
    Er schaltete die Kaffeemaschine ein, verwendete eine kolumbianische Mischung und kochte sich einen starken Mokka. Die Hälfte der ersten Tasse trank Jim, während er noch an der Arbeitsplatte stand. Er füllte die Tasse erneut, nahm am Küchentisch Platz und beabsichtigte, auch den Rest zu trinken - weil er nicht riskieren wollte, wieder ins Bett zu gehen und eine Wiederholung des Traums zu erleben.
    Jeder Alptraum verringerte die Ruhe, die er sich vom Schlaf erhoffte, doch die Bilder und übrigen Eindrücke von der Windmühle belasteten ihn nicht nur geistig, sondern auch körperlich. Wenn er erwachte, schmerzte ihm die Brust so sehr, als sei fast das Herz zerrissen. Manchmal dauerte es Stunden, bis er nicht mehr zitterte. Außerdem litt er häufig an Kopfschmerzen, so wie jetzt, sie erfaßten den oberen Teil des Schädels und pochten so heftig, als versuche ein fremdes Etwas, sich aus dem Gehirn zu lösen. Jim wußte, welcher Anblick ihn im Spiegel erwartete: ein kalkweißes, eingefallenes und hohlwangiges Gesicht mit blauschwarzen Ringen unter den Augen - wie das Gesicht eines Krebspatienten, dessen Krankheit alle Lebenssäfte aus ihm herausgesaugt hatte.
    Die Visionen von der Windmühle gehörten nicht zu den häufigsten Alpträumen, die ihn plagten - tatsächlich suchten sie ihn nur ein- oder zweimal im Monat heim. Aber sie waren mit Abstand die schlimmsten.
    Sonderbarerweise geschah darin nicht viel. Er war wieder ein zehnjähriger Junge, der auf dem staubigen Holzboden der oberen Kammer saß, über dem Hauptraum mit den alten Mühlsteinen. Das einzige Licht stammte von einer dicken gelben Kerze. Die Finsternis der Nacht preßte sich an schmale Fenster, die wie Schießscharten einer Festung aussahen. Regen klopfte ans Glas. Plötzlich knarrte ein ungeölter, halbverrosteter Mechanismus, und draußen drehten sich die vier großen Windmühlenflügel, schneller und immer schneller, schnitten wie Sensen durch die feuchte Luft. Die senkrechte Antriebswelle - sie ragte aus der Decke und verschwand in einem Loch im Boden - drehte sich ebenfalls und schuf damit die Illusion, daß die Kammer selbst in Bewegung geriet, wie ein Karussell. Unten schabten die alten Mühlsteine aneinander und verursachten ein Geräusch, das wie fernes Gewittergrollen klang.
    Das war’s. Mehr nicht. Und trotzdem reagierte Jim mit ausgeprägtem Entsetzen darauf.
    Er trank einen großen Schluck Kaffee.
    Seltsam: In der Wirklichkeit, im realen Leben hatte er die Mühle gemocht; sie wurde nie zu einem Ort des Schreckens für ihn. Sie stand auf der Farm seiner Großeltern, zwischen einem Teich und einem weiten Kornfeld. Für einen Jungen, der in der Stadt geboren und aufgewachsen war, verkörperte die Windmühle etwas Exotisches und Geheimnisvolles - ein perfekter Platz, um zu spielen und der Fantasie freien Lauf zu lassen. Darüber hinaus bot sie ihm Zuflucht, die Möglichkeit, mit sich und seinen Gedanken allein zu sein. Jim verstand nicht, warum sich der grauenhafte Alptraum auf einen Ort bezog, mit dem er nur angenehme Erinnerungen verband.
    Der Traum ging zu Ende, ohne daß Holly erwachte. Während der nächsten Stunden schlief sie ruhig und friedlich, so reglos wie ein Stein auf dem Grunde des Meeres.

3
    Am Samstagmorgen frühstückte Holly in einer Nische des Motelcafes. Die meisten anderen Anwesenden waren ganz offensichtlich Urlauber: Familien in Uniformen aus Shorts oder weißen Baumwollhosen und bunten Hemden. Einige Kinder trugen Mützen und T-Shirts, die für Sea World, Disneyland oder Knots Berry Farm warben. Eltern brüteten über Straßenkarten und Broschüren, während sie aßen, planten Routen zu einer der zahlreichen Touristenattraktionen in Kalifornien. In dem Restaurant gab es so viele farbenprächtige Polohemden, daß Besucher von einem anderen Planeten zwangsläufig zu dem Schluß gelangen mußten, Ralph Lauren sei entweder die Gottheit der wichtigsten Religion oder aber Herrscher über die ganze Welt.
    Holly verspeiste einen Blaubeer-Pfannkuchen und blickte dabei auf die Liste der Personen, die Jim Ironheart vor dem Tod bewahrt hatte:
    15. MAI Sam (25) und Emily (5) Newsome; Atlanta, Georgia (Mord)
    7. JUNI Louis Andretti (28); Corona, Kalifornien (Schlangenbiß)
    21. JUNI Thadddeus Johnson (12); New York (Mord)
    30. JUNI Rachael Steinberg (23); San Francisco, Kalifornien (Mord)
    5. JULI Carmen Diaz (30); Miami, Florida

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