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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Befehle bereit, während Bullick zur Steuerbordseite ging, das Fernrohr gezückt. Stirnrunzelnd suchte er den Horizont ab und gab den anderen Schiffen Zeichen. Segel wurden gerefft; die anderen rückten zusammen, um die Entfernung zwischen den Schiffen unserer kleinen Flotte zu verringern.
    »Ich sehe nichts«, sagte ich.
    »Links von Bullick, ungefähr eine Handspanne entfernt«, sagte Keven, den Blick zum Horizont gerichtet. »Es verliert sich beinahe in der Sonne.«
    Ich nickte, als ich es endlich sah. Es war bloß ein weißer Fleck, den ich nicht bemerkt hätte, wäre ich nicht von Keven darauf hingewiesen worden.
    »Die Ausgucke haben scharfe Augen«, meinte Avrell.
    Rings um uns hatte Heddan begonnen, die Stühle zusammenzuklappen, sodass wir rasch unter Deck gehen konnten.
    Angespannt warteten wir, während Bullick das ferne Schiff durch sein Fernrohr beobachtete. Zwei Besatzungsmitglieder harrten bei ihm aus für den Fall, dass er Befehle erteilte. Schließlich senkte er das Fernrohr.
    »Es ist eines von unseren Schiffen«, verkündete er. Einige Besatzungsmitglieder stießen erleichtert den angehaltenen Atem aus. »Ein Handelsschiff. Es fährt nach Norden. Wahrscheinlich vertraut man unseren Farben nicht, weil drei unserer Schiffe denen der Chorl ähneln.«
    Er reichte das Fernrohr einem der wartenden Männer, rührte sich jedoch nicht vom Fleck und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
    Die Stimmung an Deck war verdorben.
    »Vielleicht sollten wir nach unten gehen«, schlug Avrell indie betretene Stille hinein vor, »und nachsehen, was es zum Abendessen gibt.«
    »Ja«, pflichtete ich ihm bei. Die Spannung in meinen Schultern hatte sich noch nicht gelöst. Ich konnte mich noch zu lebhaft an den Angriff auf die Jungfer erinnern – an Laurrens Tod, an das Gemetzel an der Besatzung, an Ericks Gefangennahme. Ein solches Grauen brauchte ich nicht noch einmal zu erleben.
    Wir stiegen unter Deck und ließen Kapitän Bullick zurück, der weiter an der Reling Wache hielt.

    Die Stimmung an Bord besserte sich im Verlauf der nächsten Woche nicht. Alle waren angespannt, und jeder begab sich in unregelmäßigen Abständen an Deck, um sich die Beine zu vertreten und frische Luft zu schnappen. Die meiste Zeit jedoch verbrachten alle damit, den Horizont zu beobachten und nach einem verräterischen weißen Fleck Ausschau zu halten, der ein Segel oder ein herannahendes Schiff ankündigte. Nur wenige von uns blieben lange an Deck; die meisten stiegen bald wieder hinunter, trotz der beengten Unterkünfte und der abgestandenen Luft, die mit dem Gestank aus dem Laderaum gesättigt war. Die Gemüter wurden hitzig und entzündeten sich schon bei Kleinigkeiten – ein gemurmeltes, falsch verstandenes Wort oder ein Blick genügten. Ich versuchte, die Spannungen mit dem Fluss zu lindern, indem ich die Strömungen und Wirbel glättete, doch es schien wenig Wirkung zu erzielen.
    Bullick zog es vor, möglichst wenige seiner Fahrgäste an Deck zu haben. Er hielt ständig Wache und nahm Korrekturen am Kurs vor, um die stärker befahrenen Seestraßen zu meiden. Zweimal änderte er den Kurs, weil Segel am Horizont gesichtet wurden. Beide Male schien das andere Schiff darauf bedacht zu sein, Abstand zu wahren. Eines erkannte Bullick als ein Schiff aus Merrell, das so wie wir südwärts kreuzte. Bei dem anderenzuckte er nur mit den Schultern, als er danach gefragt wurde, und erklärte, das Schiff sei zu weit entfernt, um einen guten Blick darauf werfen zu können.
    Ich vermutete, dass es sich um ein Chorl-Schiff handelte.
    Am Abend des achten Tages, nachdem wir Temall verlassen hatten, begab ich mich mit Trielle und Keven als Eskorte an Deck und fand William an der Bugreling vor, wo er in die Düsternis starrte. Die Sonne war bereits untergegangen, und der Himmel wechselte von hellem Blau zu Indigo. Sterne lockerten die Schwärze im Osten auf; der Mond war noch nicht aufgegangen.
    Ich legte die Stirn in Falten, als ich William erblickte. Seit dem Abend, an dem er mich geküsst hatte, hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen. Wir waren selten gleichzeitig an Deck und wenn, war in der Regel Avrell zugegen.
    Diesmal nicht.
    »Wartet hier«, sagte ich.
    Keven setzte zu einem Widerspruch an und runzelte missbilligend die Stirn, doch Trielle legte ihm eine Hand auf den Arm und führte ihn zum Heck. Unterwegs schaute sie über die Schulter und warf mir einen raschen Blick zu – ob ermutigend oder warnend, vermochte ich nicht zu

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