Die Kaempferin
finsteren Blick zu. Meine Hand knetete den Griff meines Dolchs. Die anderen hatten versucht, mich dazu zu bewegen, die Waffe an diesem Abend abzulegen, doch ich hatte mich geweigert.
Oben läutete die Glocke, die zum Messen der Zeit diente, die volle Stunde. Ich hielt inne, schluckte.
Marielle stand auf, fasste mich an den Schultern und wiederholte leise: »Es ist doch bloß William.« Dann drückte sie meine Schultern, bevor sie mich zur Kabinentür hinausscheuchte.
Einen Augenblick verharrte ich in dem schmalen Gang und hörte tief aus dem Bauch des Schiffes Gelächter und leises Gemurmel aus Ericks Kabine. Ich runzelte die Stirn. Ich erkannte Isaiahs Stimme, nicht aber die andere. Doch Isaiah diente als Schiffsarzt, seit er an Bord gekommen war; deshalb schüttelte ich die Bedenken ab, hielt auf die Leiter zu und kletterte an Deck.
Bullick grüßte mich mit einem knappen Nicken, als ich mir den Weg zum Bug des Schiffes bahnte. Ich sah, dass William mich bereits erwartete. Er war ein verschwommener schwarzer Schemen in der Dunkelheit, umrissen von der monderhellten See hinter ihm. Er trug seine formelle Händlerjacke. Durch das trübe Licht wirkte das Dunkelblau fast schwarz. Die Silberstickerei war sämtlicher Farbe beraubt, und das weiße Hemd darunter trat als kräftiges Grau hervor. Als ich mich näherte, drehte er sich um.
»Varis«, sagte er und verbeugte sich.
Ich furchte die Stirn. »Was tust du da?«
»Ich mache dir den Hof«, erwiderte er; dann deutete er aufzwei auf dem Deck ausgebreitete Decken samt Kissen, Gläsern und einer Flasche Wein. »Möchtet du dich setzen?«
Ich zögerte, überrascht von der seltsamen Förmlichkeit, wenngleich ich nicht hätte sagen können, was ich eigentlich erwartet hatte. Schließlich setzte ich mich mit untergeschlagenen Beinen auf eine der Decken. William nahm ebenfalls Platz, ergriff die Weinflasche und entkorkte sie mit geübtem Griff – geöffnet musste er sie bereits zuvor haben –, ehe er für sich und mich ein Glas einschenkte.
Als er mir mein Glas reichte, sagte er: »Es ist Rotwein aus Capthia.«
Ich nippte sorgsam daran und beobachtete Williams Grinsen über den Glasrand hinweg. Rotwein aus Capthia war jener Wein gewesen, den Eryn in den Palaststallungen versteckt hatte. Zugleich hatten die Stapel dazu gedient, den Eingang zu dem Tunnel unter den Mauern zu verbergen, durch den Avrell mich unbemerkt in den Palast geschleust hatte. Bisher hatte ich diesen Wein noch nie gekostet. Er schmeckte herb und trocken, besser als der Wein, den Justaen uns in Temall aufgetischt hatte.
William trank ebenfalls einen Schluck, bevor er das Glas abstellte. »Und jetzt leg dich hin.«
Meine Augenbrauen schossen empor.
Er grinste. »Vertrau mir. Benutz die Kissen, um es dir bequem zu machen. Warte, lass mich dir helfen.«
Unter Williams Anleitung verlagerte ich auf der Decke die Haltung, legte mir die Kissen unter den Kopf und rückte sie zurecht, bis mein Hals sich nicht mehr gekrümmt anfühlte. Ausgestreckt auf der dünnen Decke liegend, spürte ich die harten Bootsplanken und Bewegungen des Schiffes deutlicher als zuvor. William raschelte neben mir, und sein Ellbogen grub sich mir in die Seite. Er murmelte eine Entschuldigung, bewegte sich noch ein wenig hin und her …
Und dann lagen wir Seite an Seite und blickten hinauf zu den Sternen. Zwar beeinträchtigten ein paar Taue und Balkenunsere Sicht, aber hier am Bug nur geringfügig. Wenn ich den Kopf leicht drehte, konnte ich die Spitze des Großmasts, das Mondlicht auf den gebauschten Segeln und den Mastkorb mit dem Ausguck sehen.
»Weißt du etwas über die Sterne?«, fragte William, und seine Stimme stieg hinauf in die Nacht. Der Himmel war klar; die stecknadelkopfgroßen Sterne zeichneten sich funkelnd vor dem samtig schwarzen Hintergrund ab.
»Nein.«
»Das dachte ich mir. Dank der Sterne wissen wir, wo sich das Schiff im Verhältnis zur Küste befindet. Wir benutzen die Sterne, um unsere Lage zu bestimmen.«
»Und wie?«
»Wir bedienen uns eines Kompasses und eines Instruments, das man Sextant nennt. Und sehr viel Mathematik.«
»Dann ist es nichts für mich.«
Ich hörte ihn kichern und schlug ihm auf den Oberschenkel. Augenblicklich verstummte er, wenngleich ich im Fluss spürte, dass er noch immer grinste.
»Es gibt auch eine einfachere Möglichkeit. Natürlich ist sie weniger genau, trotzdem durchaus lohnenswert, wenn man die Position benötigt.« Er deutete hinauf zum Nachthimmel. »Siehst du
Weitere Kostenlose Bücher