Die Kaempferin
hierbleibst und Ottul bewachst. Kannst du das?«
Sie dachte kurz darüber nach; dann nickte sie und löste sich ein wenig aus Trielles Umarmung. »Das schaffe ich schon, Regentin.«
Ihre Stimme klang überraschend ruhig und ernst.
»Gut«, erwiderte ich und stand auf. Marielle und Heddan erhoben sich ebenfalls und strichen ihre Kleider glatt. Gwenn löste sich vollends aus Trielles Armen, und Trielle zerzauste ihr das Haar, ehe sie sich uns anschloss.
An Deck stellte ich fest, dass die Chorl-Schiffe uns erschreckendnah gekommen waren. So nah, dass ich Bewegungen an Bord erkennen konnte, wenngleich noch keine einzelnen Personen. Doch ich sah ein Aufblitzen von Grün.
»Sie haben Begabte an Bord«, sagte ich, und in meinen Eingeweiden bildete sich ein Übelkeit erregender Knoten aus Furcht und Beklommenheit.
»Mindestens zwei«, sagte Avrell. Wir waren zu der Gruppe von Gardisten und Besatzungsmitgliedern am Achterdeck getreten. »Binnen einer Stunde werden sie uns einholen.«
Ich blickte fragend drein. »Sie scheinen mir näher zu sein.«
»Sie segeln nicht viel schneller als wir. Sie nutzen dieselben Winde.«
Zu Seeschlachten gehört offenbar sehr viel Warterei, ging es mir durch den Kopf. Am Siel wäre das Gefecht vor Stunden ausgetragen worden; Dolche wären gezückt worden, Blut wäre geflossen. Ich konnte mich nicht entsinnen, dass der Kampf auf der Jungfer so lange gedauert hatte.
Allerdings war ich zu dem Gefecht auch erst gestoßen, nachdem es angefangen hatte.
Ich hatte gerade Luft geholt, um etwas zu erwidern, als eine panische Stimme gellte: »Ho! Segel vor dem Bug steuerbords! Kommen schnell näher!«
»Was?«, brüllte Bullick mittschiffs.
»Bug steuerbords!«, wiederholte der Ausguck.
Ich schaute auf, schirmte die Augen gegen das Gleißen der Mittagssonne ab und sah, dass der Mann wild nach rechts deutete. »Schiffe steuerbords!«
Bullick stieß einen Fluch aus. Dann rief er aus voller Kehle Befehle. Besatzungsmitglieder sprangen in die Wanten, andere eilten zu den Waffen. Die Aufmerksamkeit aller am Achterdeck Versammelten schwenkte von den beiden uns verfolgenden Chorl-Schiffen nach Steuerbord über den Bug …
Und dort hielten vier Chorl-Schiffe unmittelbar auf uns zu und kamen rasch näher.
»Die anderen haben uns geradewegs zu ihnen getrieben«, sagte Keven. Widerwilliger Respekt schwang in seiner Stimme mit. Seine Hand ruhte auf dem Griff seines Schwerts.
Über uns bauschten sich Segel, und die Trotzig neigte sich unter uns nach Backbord. Die Gardisten auf Deck wurden überrascht und taumelten. Zu beiden Seiten drehten nun auch die anderen Schiffe unserer Gruppe bei.
»Wir werden es nicht schaffen«, sagte Avrell mit tonloser Stimme.
Dann brandete plötzlich Macht durch den Fluss und sammelte sich rasch und tödlich aus Richtung der vier neuen Schiffe.
»Marielle!«, schrie ich, doch sie und Trielle hatten sich bereits in Bewegung gesetzt und formten den Fluss zu einem engen Schild, den sie über die Steuerbordseite des Schiffes hochzogen, auf dass er die Segel bedeckte.
Feuer wölbte sich von den Chorl-Schiffen, zerbarst an dem Schild in einer funkelnden Flammenwand und rieselte am Schutzwall hinunter ins Meer.
»Heddan«, rief ich, »versuch, die Preis zu schützen.«
Heddan stürmte durch das hektische Treiben auf Deck zum Bug. Westens Schiff, das sich vor uns befand, war das nächste Verteidigungsschiff.
»Hinter uns«, warnte Keven.
Ich drehte mich um. Die zwei Chorl-Schiffe hatten einen regelrechten Satz nach vorn vollführt und Catrells Schiff beinahe erreicht. Die beiden anderen Schiffe unserer Gruppe – Tristans Verlässlich und die Plünderung – befanden sich backbords und abseits der unmittelbaren Feuerlinie.
»Sie haben uns eingeholt, weil sie beidrehen mussten«, knurrte Keven.
Ich trat zur Reling vor und tauchte dabei tief in den Fluss. Die Welt um mich wurde grau. Ich besann mich auf die ruhige, gebündelte Kraft einer Sucherin. Alles fiel zu einem einzigen Ziel zusammen. Die Schiffe hinter der Kriegsbeute zeichnetensich grell und brüchig im Sonnenlicht ab. Mittlerweile waren die Besatzungsmitglieder an Deck, gekleidet in die leuchtend bunten Farben der Chorl, und ebenso deutlich zu erkennen wie die grünen Kleider der Chorl-Begabten, von denen sich eine auf jedem Schiff befand. Ich richtete die Aufmerksamkeit auf sie, auf ihr langes schwarzes Haar, auf ihre blaue Haut und ihre fast schwarzen Augen, aus denen so viel Hochmut sprach. Dann streckte ich
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