Die Kaempferin
Brandans mitfühlende Miene, doch der Begabte aus Venitte, um dessen Hals das Goldmedaillon glitzerte, mischte sich nicht ein.
»General Daeriun«, sagte Tristan, bevor er sich aufrichtete.
»Kapitän Tristan.« Die Stimme des Generals klang trügerisch sanft, beinahe lieblich. »Ich hoffe, Eure Reise ist gut verlaufen.«
Tristan verzog das Gesicht. »Nicht ganz. Ich muss Fürst March unverzüglich Bericht erstatten.«
»Selbstverständlich. Eine Kutsche wartet bereits.« Er gab ein Zeichen, woraufhin zwei Männer des Protektorats zackig vortraten. »Diese Männer werden Euch begleiten.«
»Gut.« Tristan schaute zu mir. »Darf ich Euch die Regentin von Amenkor vorstellen?«
Erstaunt hob der General die Brauen, ehe er sich verneigte. »Es ist mir eine Ehre«, sagte er, als er sich aufrichtete. Daeriun war anderthalbmal so groß wie ich und mindestens doppelt so alt. »Fürst March lässt Euch Grüße ausrichten. Er bedauert, dass er nicht persönlich erscheinen konnte, um Euch zu begrüßen. Er hat mich ersucht, Euch zu Eurer Unterkunft zu geleiten und Euch zu bestellen, dass er Euch so bald wie möglich empfangen wird.«
»Ich muss mit Zachari sprechen …«
Avrell räusperte sich leise.
Ich legte die Stirn in Falten. »Mit Fürst Sorrenti. Noch heute.«
General Daeriuns Blick huschte zu Tristan. Er presste kurz die Lippen zusammen, ehe er erwiderte: »Ich werde Fürst Sorrenti benachrichtigen. Allerdings ist es spät. Ich bin nicht sicher, ob er sofort antworten wird.«
Am liebsten hätte ich losgeschrien, hätte Tristan und Brandan gewürgt, den Dolch gezogen und alle gezwungen, sich in Bewegung zu setzen, doch ich riss mich zusammen, holte kurz Luft und atmete langsam durch die Nase aus. »Gut«, sagte ich.
Daeriun nickte. »Wenn Ihr mir bitte folgen würdet …« Er deutete mit einer Hand das Dock entlang.
Ich zögerte. Das Verlangen, zu streiten und zu kämpfen, wurde beinahe überwältigend. Dann aber setzte ich mich in Bewegung, gefolgt von Avrell, Keven und den Gardisten.
»Was geht hier vor sich?«, flüsterte Marielle, als wir uns der Gruppe am Kai anschlossen. Das Protektorat verschmolz fließend ineinander, setzte den Weg den Kai hinunter fort und führte uns tiefer nach Venitte hinein.
»Sie bringen uns zu einer Unterkunft«, gab ich knapp zurück.
»Aber Erick!«
Ich schüttelte den Kopf und erwiderte nichts, konnte mich nicht dazu überwinden, zu reden. Weder mit Marielle noch mit Isaiah.
Stattdessen richtete ich die Aufmerksamkeit auf Avrell und dachte daran, was Eryn gesagt hatte – dass ich ihm vertrauen sollte, dass er schon in Venitte gewesen sei, dass er mit den Leuten hier bereits Umgang gehabt hatte.
»Was soll ich tun?«
Er presste die Lippen zusammen und heftete den Blick erst auf den General; dann ließ er ihn über das Protektorat wandern, das uns umgab. »Vorläufig nichts. Sie haben ihre Wünsche klar zum Ausdruck gebracht.« Er wandte sich mir zu. »Das ist nicht der Empfang, den ich erwartet hatte.«
»Vielleicht kann ich etwas tun.«
Wir drehten uns beide zu William um, der seine Händlerjacke trug.
»Ich bin Händler und gehöre zur Gilde«, fuhr er fort und strich sich mit einer Hand die Jacke glatt. »Sie müssen die Rechte der Gildenmitglieder achten. Bullick und seine Besatzung haben sie an den Docks zurückgelassen; nur Ihr und die Gardisten werden zu den Unterkünften geleitet. Was bedeutet, dass ich als Gildenmitglied ebenfalls frei sein sollte, Geschäfte zu führen.«
Ich schaute zweifelnd zu Avrell, der mit den Schultern zuckte. »Ein Versuch kann nicht schaden.«
Ich blickte auf Erick hinunter, schaute in sein bleiches Antlitz, auf seine blutleeren Lippen.
»Geh.«
William löste sich von der Gruppe, wechselte ein paar Worte mit den Männern des Protektorats, die uns begleiteten, schlüpfte durch eine Lücke, die sie freigaben, und verschwand.
Ich verspürte einen Stich im Herzen, als er ging.
»Seht«, sagte Keven.
Ich drehte mich um und erblickte ein weiteres beträchtliches Kontingent des Protektorats vor uns. Es geleitete die Gardisten aus Amenkor von den Chorl-Schiffen weg. Ich suchte Catrells Blick, sah seine düstere Miene und bedeutete ihm, sich zu fügen.
Er nickte, ohne dabei jedoch weniger düster dreinzuschauen, und gab den Befehl an Westen und die Männer aus Amenkor weiter.
»Wenigstens trennen sie uns nicht«, meinte Avrell.
Beinahe hätte ich geknurrt, doch ich riss mich zusammen, indem ich mir auf die Lippe biss, als meine
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