Die Kaempferin
Ich erkannte den frostigen Geschmack.
Das Feuer in mir pulsierte im selben Takt.
Dann schritt ich hindurch.
Das Feuer drang in mich ein, und die Flammen leckten tief in mein Innerstes, so tief wie damals, als die Wand des Weißen Feuers durch Amenkor getost war – damals, als ich erst elf Jahre alt und unter der Hand des ehemaligen Gardisten gefangen gewesen war, den ich, wenige Augenblicke nachdem das Feuer vorübergezogen war, getötet hatte. Ich schauderte, als die Erinnerung in mir aufstieg – so wirklich und so deutlich, als wäre es erst gestern geschehen, und so erschütternd, wie es damals gewesen war. Ich erzitterte vor Schmerzen und erinnerte mich, dass ich auch damals gezittert hatte, als ich benommen mit dem Rücken gegen das Steindach gedrückt wurde, wohin ich in der frostigen Nachtluft unter den Sternen geschleudert worden war. Eine Hand des Mannes drückte mit brutaler Kraft gegen meine Brust und presste mir die Luft aus den Lungen, während er sich mit der anderen an den Schnüren seiner Hose zu schaffen machte. Seine Stimme war heiser und belegt vor Erregung gewesen. Ich sah seine unrasierten Wangen vor mir, seine trüben Augen, seine schmutzige, fleckige Haut, sein verfilztes Haar. Ich roch seinen stinkenden Atem, seine muffige Kleidung. Und ich schmeckte den kalten Stahl seines Dolchs, den er in seiner Hast und Erregung vergessen hatte.
Er hatte ihn vergessen, ich jedoch nicht. Ich griff danach …
Und schritt durch das Feuer in die Kammer dahinter, trat aus der Erinnerung in den Hort des Rates der Sieben. Einen Augenblick lang, der sich wie eine Ewigkeit anfühlte, schmeckte ich jene Nacht, jene Schmerzen, jenes Grauen …
Dann verblasste die Erinnerung, und die Ratskammer nahm Gestalt an.
Sie erschien mir genau so, wie ich sie im Gedächtnis hatte: Obsidianwände, schwarzer Marmorboden, eine gewölbte Decke so schwarz wie die Nacht. Die Wände ringsum gaben einen weißen Schimmer ab, wie bereits vor eintausendfünfhundert Jahren. Nur wirkte das Licht fahl, weniger strahlend. Es war alt und verblassend. Sieben Sitze standen in der Kammer und säumten den äußeren Rand, alle unterschiedlich – die Sitze der Sieben, die hier geherrscht hatten, die letzten Adepten. Cerrin, Liviann, Garus, Seth, Atreus, Silicia und Alleryn.
In der Mitte des Raumes stand der Thron. Der Steinthron, verborgen seit eintausendfünfhundert Jahren.
Er war nie weggeschafft worden, hatte Venitte nie verlassen. Vielmehr war er mitten in der Stadt versteckt gewesen.
Und auf dem Thron, umgeben von einem Rudel Chorl-Krieger und Priestern, saß Haqtl.
Die Krieger hatten nicht bemerkt, dass ich eingetreten war. Ihre Aufmerksamkeit galt allein Haqtl und dem entschlossenen Ausdruck auf seinem Gesicht, der Anspannung auf seinen Zügen. Der oberste Chorl-Priester, jener Mann, der Erick gefoltert, gefangen gehalten und dafür gesorgt hatte, dass er weiterhin ständige Schmerzen litt, nachdem wir ihn gerettet hatten, saß vollkommen starr und mit geradem Rücken da, die Hände auf den Armlehnen des Granitthrons. Tiefe Falten furchten seine Stirn, und seine Finger waren gekrümmt. Schweiß perlte ihm über das Gesicht.
Denn der Thron kämpfte gegen ihn. Weil Sorrenti gegen ihn kämpfte.
Ich spürte, wie die Kraft im Raum sich verlagerte und wie Erick hinter mir durch das Weiße Feuer trat, gefolgt von Baill, Warren, Patch und dem Rest der Bande. Als sie hereinkamen, drehte ich mich um und sah, wie einige von ihnen voller Abscheu das Gesicht verzogen oder heftig schauderten. Kurz fragte ichmich, welche Erinnerungen das Feuer für sie heraufbeschworen haben mochte, schüttelte den Gedanken dann aber ab. Es spielte keine Rolle. Alles, was zählte, waren Haqtl und der Thron.
Und Erick.
Als die Männer sich hinter mir aufstellten, wandte ich mich dem Thron zu und trat vor.
Die Bewegung erregte die Aufmerksamkeit eines der Chorl-Krieger, der eine knappe Warnung ausstieß.
Begleitet von einer Abfolge verschiedener Befehle und dem Klappern und Rasseln von Rüstungen umringte die Gruppe der Männer mit gezogenen Schwertern den Thron. Vom Thron selbst hielten sie sich fern, wahrten einen Abstand von mindestens drei Schritten.
Dann bemerkte ich die Leichen. Es waren zwei, beide Chorl, ein Krieger und ein Priester. Sie lagen zwei Schritte von Haqtl und dem Thron entfernt auf dem Boden. Die blassblauen Gesichter hoben sich deutlich vom schwarzen Marmor ab, die dunklen Augen waren vor Schreck geweitet.
Sie wiesen keinerlei Male
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