Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
Eindruck?«
»Die meisten historischen Romane kranken ja daran, dass moderne Verhaltens- und Gesprächsweisen einfach unsinnigerweise in vergangene Zeiten verpflanzt werden, das aber scheinst du mir gut gelöst zu haben.«
»Es ist echt kein Wunder, dass dich keiner leiden kann«, sagt das Känguru und wirft sein Manuskript in den Papierkorb.
Ich gehe ins Wohnzimmer, um mein Jo-Jo zu suchen. Es hilft mir beim Nachdenken. »Am besten irgendwas mit Vampiren …«, murmle ich. Wie so oft erweist sich ein einfacher Plan allerdings als unerwartet kompliziert, denn ein fieser kosmischer Raum-Zeit-Vortex hat unser Wohnzimmer mit einem Schrottplatz vertauscht. Unter anderem liegt mir im Weg: eine Horde Gartenzwerge, ein aufgepumptes Schlauchboot, eine Brotbackmaschine, eine Popcornmaschine, zwei Wassersprudler, eine Töpferscheibe, ein Seidenmalereikasten, ein Surfbrett, ein Messerset, ein zerstochener Gymnastikball, Inlineskates, zwei Laminiergeräte, ein riesiges Plüschkänguru, vier Expander, ein Laserdisc-Player, ein Kerzenziehset, ein kaputter Flachbildschirm, ein Hulk-Hogan-Pappaufsteller, ein Amiga, eine Skeletor-Actionfigur, ein C64, vier Videorecorder, Kommissar Rex -VHS-Kassetten …
»Was ist das nur alles für ein Scheiß?!?«, rufe ich.
Das Känguru schlurft ins Wohnzimmer.
»Oh«, sagt es. »Ich habe mal meinen Beutel ausgemistet.«
»Und was ist mit dem ganzen Zeug hier?«
»Übrig.«
»Wo hast du das denn alles her?«
»Geborgt.«
»Das muss hier weg«, sage ich. »Das muss hier alles weg. Sofort.«
»Ich packe es nicht wieder in meinen Beutel«, sagt das Känguru. »Is irre schwer.«
»Aber was machen wir jetzt mit dem ganzen Scheiß? Wir bräuchten einen stillgelegten Salzstock oder irgendein anderes Endlager.«
»Ich hab ’ne Idee«, sagt das Känguru und zieht ein Schweißgerät aus seinem Beutel.
»Das ist nicht übrig?«, frage ich.
»Nein«, sagt das Känguru. »Damit schweiße ich jetzt alles zusammen, behaupte dann, das sei eine Kunstinstallation wider die Wegwerfgesellschaft, und verkaufe es an ein Museum.«
»Und wenn das nicht klappt?«
»Dann erkläre ich unsere Wohnung zu einer Galerie, und wir nehmen Eintritt.«
»Und wenn das nicht klappt?«
»Dann haben wir einen riesigen zusammengeschweißten, nicht mehr transportablen Block Müll in unserem Wohnzimmer.«
Wir haben einen riesigen zusammengeschweißten, nicht mehr transportablen Block Müll in unserem Wohnzimmer. Das Känguru sitzt am Fuß des Blocks auf dem Boden, mein Notebook vor sich. Ich bin zur Spitze des Blocks geklettert, um eine neue Glühbirne in die Deckenlampe zu schrauben.
Das Radio läuft.
»Sie hören Déjà-écouté-Radio mit den größten Hits aus den Jahrzehnten, in denen Sie sich noch für Musik interessierten. Und jetzt: Déjà-écouté-Nachrichten … Berlin. Der ehemalige Bankdirektor Jörn Dwigs gab heute bekannt, dass er aufgrund von unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und seinem Bruder Jörg Dwigs mit rund einem Drittel der Mitglieder aus der Partei für Sicherheit und Verantwortung austreten und eine neue Partei gründen werde. Die Partei soll Alternative für Dwigs, kurz AfD, heißen. Im Bruderzwist ging es wohl hauptsächlich um die Frage des Parteivorsitzes und nicht um den abgesagten Verkauf von Sozialwohnungen.«
»Es ist eine Frechheit«, sage ich, »dass ausgerechnet die marktradikalen Schwachköpfe, deren Politik sich unter der Behauptung der Alternativlosigkeit so vollständig durchgesetzt hat, nun eine Partei gründen, die das Wort Alternative im Namen führt. Da wird einem doch schlecht.«
Das Känguru macht das Radio aus.
»Du kennst doch bestimmt jemanden, der bei einer guten Zeitung arbeitet«, sagt es.
»Nun ja. Ich kenne jemanden, der bei einer Zeitung arbeitet«, sage ich und klettere wieder vom Block runter. »Ist das Adjektiv wichtig?«
»Nee, ist nicht wichtig«, sagt das Känguru und drückt mir ein Päckchen in die Hand.
»Was ist da drin?«, frage ich.
»Dwigs’ Doktorarbeit. Ich bin sie durchgegangen und habe die falsch und die gar nicht zugeordneten Zitate angestrichen.«
»Aber wenn du das veröffentlichst, wird er doch sofort seine Schergen nach dir ausschicken.«
»Sie werden mich aber nicht finden.«
»Warum nicht?«
»Wir fliegen morgen nach New York«, sagt das Känguru fröhlich.
»Aha«, sage ich. »Und warum?«
»Um zu verhindern, dass der Pinguin seinen bösartig-kapitalistischen Weltvernichtungsplan umsetzen
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