Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
entwürdigend.«
»Stumm«, sagt der Produzent und deutet mit seiner imaginären Fernbedienung auf mich.
»Es geht um Vampire!«, rufe ich.
»Abspielen«, sagt der Produzent.
»Shakespeare und Cervantes sind ja beide im Frühjahr 1616 gestorben. Das ist weltbekannt, aber nur die wenigsten wissen, dass die Dichter von einem Groupie-Vampir gebissen worden waren und selbst Vampire wurden. Die beiden sind jetzt Mitte vierhundert und stecken voll in der Midlife-Crisis. Ich lese mal kurz eine Szene vor, die spielt nachts in einer Bar.
WILLIAM
Erinnerst du dich, Freund? Früher, da waren die Leute gastfreundlich. Rein oder nicht rein, das war gar keine Frage. Heutzutage hingegen öffnet einem keiner mehr seine Tür. Alle glauben, man wäre von den Zeugen Jehovas oder von irgendeinem DSL-Anbieter …
MIGUEL
Ach. Ich trinke, wenn sich mir eine Gelegenheit bietet, und ich trinke auch, wenn sich mir keine Gelegenheit bietet, aber entsetzlich ist es, dass man jetzt vor dem Biss immer einen Aids-Test machen muss!
WILLIAM
Meiner Eckzähne wegen hat mir mein Dentist eine festsitzende Zahnspange eingesetzt.
William zeigt seine Zahnspange.
WILLIAM
Auch lässt mein Augenlicht nach, und leider fällt mir das Einsetzen der Kontaktlinsen immer sehr schwer,
weil ich mich ja nicht im Spiegel sehen kann.
MIGUEL
Würde dir gerne helfen, aber wenn der Blinde den Blinden führt, fallen beide in die Grube. Ich glaube, ich habe mir auch schon wieder die rechte Linse ins linke Auge gesetzt und umgekehrt.
WILLIAM
Klar, niemand heilt durch Jammern seinen Schaden, aber lasern lassen … ich weiß nicht, ich bin doch so lichtempfindlich. Apropos. Ich muss dann auch mal.
Da geht ja schon fast die Sonne auf.
Und dann fliegt er behände mit dem Kopf gegen den Türrahmen. Die Handlung …«
»Stop«, sagt der Produzent. »Kommen Sie wieder, wenn Sie etwas über die epische Schlacht zwischen Gut und Böse geschrieben haben.«
»Hexen!«, rufe ich. »Ein Film über drei Hexen im Mittelalter, die alle so gestresst sind, dass sie an Burn-outs, sterben.«
Ich beginne, laut vorzulesen:
»ERSTE HEXE
When shall we three meet again?
ZWEITE HEXE
Puh. I’m so busy! Why don’t you call my office?
DRITTE HEXE
I’m even busier. I have absofuckinglutely
no time at all.«
Der Produzent deutet mit seiner unsichtbaren Fernbedienung erst auf einen Sicherheitsmann und dann auf uns.
»Eject?«, fragt der Sicherheitsmann.
Der Produzent nickt, und gleich darauf stehen wir vor der Tür. Auf dem Set spricht das Känguru gerade mit dem Regisseur.
»Do you like it?«, fragt es.
»A kangaroo, who shares a flat with Lenin?! Well, you know, I don’t see any money in it.«
Ich sitze allein am Flughafen von Los Angeles und tue, was man an Flughäfen gemeinhin tut: Ich langweile mich. Sich langweilen heißt: das zähe Verfließen der Zeit zu erfahren. Man muss sich dem Gedanken stellen, den man durch die sonst so lückenlos befriedigte moderne Beschäftigungssucht erfolgreich verdrängt. Der Gedanke an den Tod. Mich schaudert. Schnell ziehe ich mein Handy aus der Tasche und fange an, lustige Apps herunterzuladen. Haha! Jetzt habe ich einen großen roten Knopf auf dem Touchscreen, und wenn ich da draufdrücke, spielt mein Handy einen dramatischen Tusch. 8
8 Das wäre auch ein guter Titel für einen Arthouse-Film.
(Anm. des Kängurus)
TAMM TAMM TAAAAHHM!
Witzig. Noch mal.
TAMM TAMM TAAAAHHM!
Witzig. Noch mal.
TAMM TAMM TAAAAHHM!
Mir ist langweilig. Ich blicke mich um. Alle Leute in meiner unmittelbaren Umgebung starren mich irritiert an.
»I’m bored!«, sage ich zur Erklärung. Alle nicken verständnisvoll. Ich beginne zu singen: »Bored in the USA! I am bored in the USA!« Jetzt kucken wieder alle irritiert. Ein Sicherheitsmann kommt auf mich zu.
»Sir! Please don’t disturb the other passengers«, sagt er. »Why don’t you keep quiet?«
»Because I’m bored, I’m bored«, singe ich. »I’m really, really bored. You know I’m bored, I’m bored. I’m really, really bored. And the whole world has to answer right now. Just to tell you once again. Who’s bored?«
»Are you Mister Kling?«, fragt der Mann.
»How do you know?«, frage ich irritiert.
»I understand. You are the comedian. Very funny.«
»Well … äh … thank you«, sage ich.
»You are the worst comedian I’ve ever heard of«, sagt der Mann im Weggehen.
»But you have heard of me!«, rufe ich.
Vor den Check-in-Schaltern sind in zahlreichen Schlangenlinien
Weitere Kostenlose Bücher