Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
abgesicherten Arschlöchern.« 10
10 Das ist die Meinung des Kängurus und nicht notwendigerweise die Meinung des Autors. (Anm. des Autors)
In Caracas haben wir sieben Stunden Aufenthalt. Darum fahren wir mit dem Bus vom Aeropuerto Internacional Simón Bolívar zum Hotel de Simón Bolívar in der Avenida Simón Bolívar. Dort treffen wir den Hidalgo, unseren Verbindungsmann vom Asozialen Netzwerk, Sektion Venezuela, der uns in das Restaurant Simón am Plaza Bolívar führt, wo das Känguru Pollo à la Simón Bolívar bestellt.
»Hast du alles dabei?«, fragt es unseren neuen Freund, der zufälligerweise deutsch spricht.
Dieser greift in seine Tasche: »Hier sind die Anträge.«
»Was denn für Anträge?«, frage ich.
»Ich wollte die Zeit in Venezuela nutzen, um hier schon mal vorsorglich Asyl zu beantragen«, sagt das Känguru.
Nach dem Essen – es hat 20.000 Bolívar gekostet – packt unser Verbindungsmann ein Zigarrenetui aus.
»Wollt ihr auch eine Bolívar rauchen?«, fragt er.
»Warum hat man das Land eigentlich Venezuela genannt?«, frage ich.
»Bolivien gab’s schon«, sagt der Hidalgo.
Als wir kurze Zeit später im Bus sitzen, um unseren Flug zurück nach Toronto nicht zu verpassen, frage ich das Känguru: »Kennst du eigentlich diesen Simón Bolívar?«
»Nicht persönlich«, sagt das Känguru. »Aber entweder war der Typ wichtig oder es gab sehr viele davon.«
»Papa ist ’ne Knackwurst.«
Schweinchen Babe
»Ich vermisse nichts«, sage ich.
»Seit wann bist du denn Vegetarier?«, fragt das Känguru, während wir – zurück am Flughafen von Toronto – in der Schlange vor einem Burger-Laden stehen.
»Seit gestern.«
»Und du vermisst nichts …«
»Ich vermisse nichts.«
»Krass.«
»Ich bin seit drei Jahren Vegetarier«, sage ich. »Es ist so unglaublich wie bezeichnend, dass du davon bisher keine Notiz genommen hast.«
»Und warum biste Vegetarier geworden? Wenn man fragen darf?«
»Nein, darf man nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil das keine sinnvolle Frage ist«, sage ich. »Jedenfalls nicht, wenn man eine sinnvolle Frage als eine Frage definiert, die auf Erkenntnisgewinn zielt. Warum wohl?«
»Ich weiß es nicht«, sagt das Känguru. »Warum?«
»Ich sag dir warum: Immer, wenn ich als Kind Atemnot bekommen habe, hat mir meine Mutter als Hausmittel ein blutiges Steak aufs Gesicht gelegt. Das hat mich traumatisiert.«
»Ehrlich?«, fragt das Känguru.
»Natürlich nicht!«, sage ich. »Ich esse kein Fleisch mehr aus all den richtigen Gründen.«
»Ah so.«
»Aus denselben Gründen, aus denen alle Vegetarier Vegetarier sind. Aus den Gründen, die du kennst und verdrängst. Deshalb finde ich, dass deine Frage keine sinnvolle Frage war.«
»Willst du Chicken Nuggets?«
»Ich esse kein Fleisch!«
»Auch kein Hühnchen?«
»Nein!«
»Auch nicht ganz mageres Fleisch?«
»Letztens hatte ich bei einem Verwandtschaftstreffen ein ähnliches Gespräch, das damit endete, dass mir meine sehr, sehr fette Gesprächspartnerin erklärte, ich würde mich ungesund ernähren.«
»Und Wurst isst du auch nicht mehr?«
»Weißt du, was mich interessiert?«, frage ich. »Würdest du eigentlich Känguru-Burger essen?«
»Nein«, sagt das Känguru und überlegt kurz. »Menschen-Burger allerdings …«
»Aber Menschen sind keine gefühllosen Dinge«, rufe ich empört. »Sie bilden komplexe soziale Gesellschaften, haben eine Persönlichkeit und empfinden Trauer, Glück oder Schmerz genau wie ihr Tiere.«
»Keine Panik«, sagt das Känguru. »So faul, wie du immer rumhängst, musst du dir keine Sorgen machen. Von Gammelfleisch halte ich mich fern.«
»Dir ist schon klar, dass die meisten Menschen in viel zu kleinen Käfigen gehalten werden, kaum Auslauf bekommen und beim Transport enormem Stress ausgesetzt sind?«
»Gerade in Berlin«, sagt das Känguru. »Ständig diese Ungewissheit: Fährt die S-Bahn? Fährt sie nicht?«
»Würdest du auch Fleisch aus Massenmenschhaltung essen?«
»Nein. Ich würde natürlich darauf achten, dass ich nur Menschen aus Freilandhaltung esse«, sagt das Känguru. »Zum Beispiel so einen saftigen Rinderbaron aus Argentinien.«
»Und dass für dessen Hacienda hektarweise Regenwald abgeholzt wird, ist dir egal? Und die Umweltbelastung durch den Transport?«
»Wenn es dir lieber ist, kann ich auch gerne nur Menschen aus der Region essen«, sagt das Känguru. »Einen Hamburger zum Beispiel. Oder ein Paar Frankfurter. Ein Paar Deutschländer. Hm.
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