Die Kaffeemeisterin
sie sich gesagt, dass die Coffeemühle schon immer die Coffeemühle gewesen war. Schon zu Zeiten von Adams Eltern hatte das Kaffeehaus diesen Namen geführt, da konnte man es nicht einfach umtaufen, das hätte sie als frevlerisch empfunden.
Der Bendermeister nickte ihr begeistert zu, während der Applaus immer lauter brandete, und nahm noch einen tiefen Zug aus der blubbernden Wasserpfeife. Zumindest ihre Stammgäste sah sie nun wieder regelmäßig, wenn auch nicht ganz so oft wie früher. Gregor Denzel hatte sich mit dem Wirt vom Schällerschen Kaffeehaus angefreundet. »Was soll ich denn jetzt tun?«, hatte er sie ratlos gefragt. »Ich kann doch nicht plötzlich von dort verschwinden!« Er war sichtbar hin- und hergerissen gewesen. Und Johanna hatte ihn tatsächlich verstehen können. Wenn man ein ganzes Jahr lang nicht zu Hause war, dann war natürlich hinterher nichts mehr wie zuvor. Gregor Denzel hatte sein Dilemma schließlich gelöst, indem er die Hälfte seiner freien Zeit in der Coffeemühle und die andere Hälfte im Schällerschen Kaffeehaus verbrachte. Obwohl Johanna ihm keinerlei Vorwürfe gemacht hatte, war ihr Verhältnis nicht mehr so ungezwungen wie früher. So als hätte der Schuhmacher ein schlechtes Gewissen.
Schosch hielt auf seine stets etwas lustlose Art eine große verzierte Messingkanne hoch.
»Jemand noch einen Mokka?«, nuschelte er.
Als Einziger hatte ihr Neffe sich geweigert, die osmanische Kleidung aus Zehras Truhen anzulegen. Nicht einmal sein Samtbarett, das er sich von seinem Lohn bei Ludwig Haldersleben hatte anfertigen lassen, hatte er mit einem Fez vertauschen wollen. Johanna, Elisabeth, Anne, Sybilla, Margarethe und Lili waren ganz alla turca gekleidet. Sybilla hatte erst etwas gemurrt, sich dann aber doch der Mehrheit angeschlossen und den Kaftan mit dem Tulpenmuster über ihre normale Kleidung gezogen, was sie auf einmal etwas dick aussehen ließ. Anne trug den roten Kaftan mit den goldenen Punkten, der vorne von mehreren Schleifen zusammengehalten wurde. Dazu rote Pumphosen und ein gelbes Hemd. Johanna hatte wieder ihren türkisfarbenen Lieblingsentari angelegt, und Margarethe hatte sich auch von der Jahreszeit nicht davon abbringen lassen, ihre pelzverzierten Pantoffeln zu tragen. Mit Elisabeth indes war die Fantasie völlig durchgegangen: Zu ihrem goldenen Kaftan hatte sie sich aus einem Stoff mit einem wirren Arabeskenmuster einen langen Schleier genäht, der von einem hohen Hut herunterwehte und bis zum Boden reichte. Sie sah eher wie eine mittelalterliche Prinzessin aus als wie eine Haremsdame. Und wirklich praktisch war ihr Kostüm auch nicht, musste sie doch in dem Zelt ständig mit gebeugtem Nacken herumlaufen und jedes Mal, wenn sie durch eine Tür schritt, den Kopf einziehen.
Die Freunde, die Justus von Zimmer wie versprochen mitgebracht hatte und die reichlich zu Johannas Umsätzen beitrugen, trampelten vor Begeisterung noch immer mit den Füßen. Allerdings blieb der gewünschte Effekt aus, weil das Geräusch von den dicken Orientteppichen gedämpft wurde.
Ein hochaufgeschossener Jüngling, dem die oberste Zahnreihe fehlte, Sohn eines Bankiers, wie Johanna wusste, sprang von seinem Sitzkissen auf und rief laut:
»Zugabe! Zugabe!«
Sofort fielen die übrigen Zuschauer in seine Rufe ein.
Mit erwartungsvoll hochgezogenen Augenbrauen und einem neuen feurigen Glanz in den Augen sah Justus Johanna an.
»Eine Fortsetzung wird es morgen Abend geben!«, rief sie mit erhobener Stimme in den Applaus hinein. »Dann werden wir Sie hoffentlich alle wieder hier begrüßen dürfen, liebe Gäste! Und dann wird nicht nur Herr von Zimmer eine Geschichte aus den Mille et une Nuits vorlesen, einem Buch, das, wie Sie wissen, gerade erst seinen Siegeszug um die Welt antritt. Nein, dann werde auch ich eine kleine Darbietung geben.« Sie senkte ihre Stimme zu einem geheimnisvollen Flüstern. »Und meine Geschichte wird eine wahre sein, eine wahre Geschichte aus dem Morgenland. Und diese wird noch viel spannender sein als das, was ihr heute gehört habt …«
Justus lachte anerkennend, als sie ihre Rede mit dem gleichen Satz schloss, den die Erzählerin Scheherazade in jeder der tausend Nächte benutzte, um dem bösen König Shahryar die Fortsetzung ihrer Geschichte schmackhaft zu machen – immer dann, wenn sie an der dramatischsten Stelle angelangt war. Johanna hoffte, dass die Ankündigung einer weiteren spannenden Geschichte in ihrem Fall genauso viel Erfolg haben würde wie
Weitere Kostenlose Bücher