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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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hatte das Gefühl, durch das Dach in eine Hafenkneipe hineinzulugen, so leger ging es auf den billigen Plätzen zu. Dort wurde nicht nur Kaffee getrunken, sondern auch eifrig herumgelaufen und geflachst, als könnte sich nicht jeden Moment der prächtige rote Samtvorhang vor der Bühne öffnen und die Aufführung beginnen. Gerade winkte ihr der junge Gondoliere, mit dem sie bei ihrer Ankunft in Venedig die erste Gondelfahrt ihres Lebens unternommen hatte und der danach noch öfter auf einen Espresso ins Florian gekommen war, von unten zu und schwenkte in einer Geste der Ergebenheit seinen Hut. Sofort wurden auch seine Kollegen auf sie aufmerksam und zollten ihr ebenfalls lachend und winkend Bewunderung.
    Marcello, der zu ihrer Linken saß, raunte ihr zu:
    »Deine Chancen unter den Gondolieri scheinen mir nicht die schlechtesten zu sein, cara mia . Du siehst heute aber auch wirklich entzückend aus!«
    Johanna freute sich über das Kompliment des Zauberers. Es kam nicht oft vor, dass er ihr seine Zuneigung oder gar Bewunderung zeigte. Vor allem in letzter Zeit hatte sie zu spüren gemeint, dass er sich ihr gegenüber zurückhielt. Die wenigen Male, die er ins Florian gekommen war, hatte er stets eine düstere Miene zur Schau getragen und weder mit ihr noch mit den anderen so wie sonst gescherzt.
    »Danke, Marcello, schön, dass dir mein Aufzug gefällt! Das Kleid gehört eigentlich Giuseppina, ich habe es nur ein bisschen abgeändert und dem Geschmack von heute angepasst.«
    »Und enger gemacht, figlia mia , das kannst du ruhig dazusagen!«, fügte die Venezianerin lachend hinzu. »So schlank wie du war ich selbst in meinen besten Tagen, also vor hundert Jahren, nicht!«
    Schmunzelnd ließ Johanna ihren Blick weiter durch den Zuschauerraum schweifen. Von den Stehplätzen in den hinteren Rängen wanderten ihre Augen zum vorderen Teil des Parketts, wo die Musiker angefangen hatten, ihre Instrumente zu stimmen, dann hoch zur Decke, an der mehrere prachtvolle Lüster hingen, bis hin zu den anderen Logen, die in dreifacher Reihe übereinanderlagen. Ihr Blick fiel auf die Prunkloge direkt der ihren gegenüber. In dem Moment öffnete sich die kleine Wandtür zum Korridor hinaus, und ein älterer Herr in einem hermelinbesetzten roten Gewand mit einer goldenen Mütze auf der weißgelockten Perücke betrat die Loge. Er hatte einen goldenen Stab mit einem dicken Knauf in der Hand und wurde zu beiden Seiten von zwei Männern in gleichfalls roten Gewändern gestützt. Einen Moment blieb der Alte in der Mitte der Loge stehen, als wollte er dem Publikum Gelegenheit geben, seine Anwesenheit zu bemerken, dann nahm er umständlich auf dem thronartigen Sessel Platz, der in der Mitte der Loge stand.
    »Der Doge!«, flüsterte Marcello Johanna zu.
    Sogar er schien beeindruckt von der Gestalt des Greises, der nun seinen Umhang zurückschlug und seinen Stock auf dem Geländer vor sich ablegte. Die meisten anderen Gäste im Zuschauerraum mussten die Anwesenheit des Staatsoberhaupts ebenfalls bemerkt haben, denn für einen Moment herrschte eine ungewohnte Stille im Raum, die nur von den Klängen unterhalb der Bühne durchbrochen wurde, wo die Musiker noch immer unermüdlich ihre Instrumente stimmten.
    Plötzlich war die ganze Loge des Dogen von rot bemantelten Gestalten bevölkert. Und einer davon war der Conte, wie Johanna wusste.
    »Das sind die Räte der Signoria «, fügte Marcello leise hinzu. »Habe ich dir doch mal erklärt: die sechs Consiglieri und die drei von der Quarantina .«
    Sie wollte noch etwas sagen, doch da brandete bereits der Applaus auf, und Adolf Hasse, der die Oper dirigieren würde, eilte schwungvoll an sein Cembalo. Während des Orchestervorspiels öffnete sich langsam der Vorhang und gab den Blick frei auf eine abenteuerliche Kulisse, die in der einen Ecke ein Gebirge und in der anderen einen gigantischen Märchenpalast darstellen sollte. Nach und nach traten die Sänger auf, und die Handlung nahm ihren Lauf. Johanna war von dem Geschehen auf der Bühne ganz gefangen; besonders Faustina Bordonis Auftritte beeindruckten sie sehr, die ihr mit Fug und Recht den Status einer Primadonna zu genießen schien. Doch auch von den Balletteinlagen konnte sie nicht genug bekommen – nie zuvor hatte sie eine solche Grazie und Eleganz gesehen.
    Als die Oper zu Ende war und der Vorhang fiel, trampelten Giuseppina und Marcello mit den Füßen. Laute »Bravo«-Rufe ertönten von allen Seiten. Immer wieder musste sich Faustina

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