Die Kaffeemeisterin
beiden Ledersitze bequem. Sie war ganz ruhig. Ihre Angst vor dem Wasser war wie weggeblasen.
Als der Conte sich neben ihr niederließ und der Gondoliere von außen die schwarze felze über die Kabine zog, fühlte sie sich von einer warmen Dunkelheit eingehüllt, die nur durch den Feuerschein des Kohleofens sanft aufgehellt wurde. Die schaukelnden Bewegungen der Gondel und der Plätscherton des Wassers sagten ihr, dass sie die Mole verlassen hatten und sich auf dem Kanal befanden.
Der Conte hatte die Beine auf der Seitenbank lang ausgestreckt und forderte Johanna auf, es ihm nachzutun. Dann öffnete er das Fensterchen neben sich und holte einen Kübel mit einer Flasche Champagner und zwei langstieligen Kristallgläsern in die Kabine herein, die der vorsorgliche Gondoliere offenbar draußen abgestellt hatte.
Johanna sah zu, wie er mit geschickten Händen die Flasche entkorkte und die beiden Kelche füllte. Sie musste an ihre erste Unterhaltung im Florian denken, auch dort hatten sie miteinander angestoßen und anschließend geredet. Der Conte, Andrea, schien ihr ein Ehrenmann zu sein, der sich aus irgendeinem Grund für sie interessierte. Und auch er hatte ihr Interesse geweckt. Außerdem – was hatte Tullio neulich erst so schön gesagt: »Eine alte Liebe kann man am besten mit einer neuen austreiben.«
Der Conte lag auf der Seite und hatte seinen Körper ganz ihr zugewandt. Wie oft mochte er schon so hier gelegen und eine Frau verführt haben?, schoss es ihr durch den Kopf. Wieso hatte er eigentlich keine Ehefrau? Oder hatte er eine und ließ sie bloß immer allein zu Hause? Sie drehte ihr Glas in der Hand und nahm einen großen Schluck von der perlenden Flüssigkeit.
Andrea schaute sie unverwandt an. Sein leerer Kelch stand auf der kleinen Konsole über seinem Kopf. Wieder setzte sie ihr Glas an die Lippen. Warum sagte er nichts? Warum tat er nichts?
Dann drehte auch sie sich auf die Seite, mit dem Gesicht zu ihm. Sanft nahm er ihr den Kelch aus der Hand und stellte ihn auf die Konsole zu seinem eigenen. Nur noch wenige Zoll trennten ihre Körper voneinander.
»Seit ich ein Junge bin, Giovanna«, sagte der Conte leise, »habe ich mich danach gesehnt, mit einer schönen Frau eine nächtliche Gondelfahrt zu unternehmen. So wie wir beide jetzt.«
Er streckte die Hand aus und berührte leicht die Spalte zwischen ihren Brüsten.
Johanna hielt den Atem an. Sie fühlte seinen Blick auf ihrer Haut, das Brennen seiner blauschwarzen Augen. Als wollte er die Mitte ihres Körpers nachzeichnen, glitt seine Hand immer tiefer. Langsam begannen seine Finger, den Stoff ihres Kleides nach oben zu raffen, bis ihre Beine in den roséfarbenen Strümpfen, die sie mit Bändern seitlich an ihrem Mieder befestigt hatte, vollkommen frei lagen. Ihr Schenkel über dem Strumpfband glänzte weiß unter der sehnigen braunen Hand, die sich nun dort hinlegte.
Plötzlich beugte sich der Conte über sie und küsste sie voller Leidenschaft. Sie wunderte sich über das Verlangen, das sich in ihr entzündete, als sich seine Finger in ihrem Fleisch vergruben. Nichts wünschte sie jetzt mehr, als sich diesem Mann hinzuge ben. Mit zitternden Händen half sie ihm, sie ihrer Kleider zu entledigen.
Für einen Moment betrachtete er sie stumm, als sie in ihrer ganzen Nacktheit vor ihm saß, das Haar gelöst, seinem Blick standhaltend.
»La mia Venere« , murmelte er heiser.
Dann spürte sie das Gewicht seines Körpers auf dem ihren und ließ sich ins Ungewisse fallen.
15. KAPITEL
J ohanna schaute aus dem Fenster ihres Dachstübchens. Seit Wochen bot sich ihr der gleiche Anblick: tief hängende, dunk le Wolken, kaum ein Sonnenstrahl, der die Nebelschwaden durch drang, wenn es nicht sowieso Bindfäden regnete. In der Lagune hinter den feucht glänzenden Dächern der Stadt war kein buntes Segel zu sehen, keine petone , keine bissone lag aufgetakelt im bacino di San Marco . Selbst die Fischer mit ihren kleinen Nachen schie nen bei dem Wetter davor zurückzuscheuen, weiter raus als bis La Giudecca zu fahren. Das Meer hinten am Horizont verschmolz mit dem Grau des Himmels, eine einzige Ödnis toter Farben.
Ein Seufzer ging über ihre Lippen. Sie wusste, welches Bild sich ihr bieten würde, wenn sie nach unten ins Florian ging und aus dem großen Frontfenster schaute, an dem der Conte, Andrea, für gewöhnlich saß. Der Markusplatz hatte sich in eine riesige trübe Pfütze verwandelt. Nur über die schmalen Holzstege, die die Venezianer in weiser
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