Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Billigung und die spätere Kaiserkrönung. Die Stauferpartei reklamierte das Wahlrecht als originäres Fürstenrecht, teilte in origineller Wortwahl die Erhebung Philipps in eine «kaiserliche Stellung»
(imperatura)
mit und kündigte den baldigen Zug zur Kaiserkrönung an. Innocenz III. ließ sich mit seiner Reaktion Zeit, präzisierte dann in einer Geheimansprache vor seinem Konsistorium wie in der öffentlichen Bulle «Venerabilem» 1202 die päpstlichen Ansprüche an der deutschen Königswahl und seine spezielle Entscheidung zugunsten Ottos IV.
Sein Recht auf die Approbation (Prüfung und Genehmigung) des Königs wie auf das letzte Urteil in Streitfällen leitete der Papst aus Geschichte und Zukunft ab. Das Kaisertum sei einst durch die Päpste von den Griechen auf die Franken und dann auf die Deutschen übertragen worden
(Translatio imperii).
Künftig müsse er den von den deutschen Fürsten gewählten König zum Kaiser krönen. Darum stehe dem Papst die frühzeitige Eignungsprüfung des Kandidaten bereits bei der Königswahl zu. Die Auswahl unter den drei Kandidaten Friedrich, Philipp und Otto wurde sorgfältig begründet. Dabei erschienen die Staufer als «Geschlecht der Verfolger», die den Päpsten immer geschadet hätten. Die im Rang gleichen Reichsfürsten würden ihr Wahlrecht schmälern, wenn sie immer nur Staufer erheben würden. Otto zeichne sich dagegen durch Frömmigkeit und Treue aus.
Wie kein Papst vor ihm sorgte Innocenz III. für die Systematisierung des päpstlichen Vorrangs in der Welt. Schon 1198 entwickelte er ein Gleichnis, das ins Kirchenrecht einging. Zwei große Lichter habe der Schöpfer am Himmel eingesetzt, die größere Sonne für den Tag und den kleineren Mond für die Nacht. Ebenso gäbe es am Firmament der Christenheit zwei Würden, die bischöfliche Autorität und die königliche Gewalt. Die größere, der Tag, leite die Seelen, die kleinere, die Nacht, herrsche über die Körper. Wie der kleinere und geringere Mond von der Sonne sein Licht empfange, so beziehe die königliche Gewalt ihrenGlanz von der Geistlichkeit. Je näher die Könige zu ihr stünden, um so heller sei der Widerschein. Jahrzehnte später ermittelte man das Größenverhältnis durch Analogie exakter: Die priesterliche Autorität wäre 6644-mal größer als die königliche Gewalt.
Im Streit der Waffen um den richtigen König bewirkten die päpstliche Entscheidung von 1202 und der Kirchenbann über Philipp wenig. Walther von der Vogelweide fing die aufgeregten Zeiten in seiner Spruchdichtung ein: «Dagegen – weh Dir, deutsches Volk, wie steht es um deine Ordnung, wo nun die Mücke ihren König hat und deine Ehre so ganz schwindet!»
Das Kriegsglück neigte sich auch in Westeuropa dem französischen König Philipp II. Augustus als Stauferfreund zu. 1204 eroberte er gegen seinen englischen Rivalen Johann («Ohneland») die Normandie. Der Thronstreit schien bereits zugunsten des Staufers entschieden, als dieser 1208 in Bamberg ermordet wurde. Jetzt erst setzte sich Otto IV. durch. Am 4. Oktober 1209 empfing der Weife im römischen Petersdom von seinem Förderer Innocenz III. die Kaiserkrönung. Aber nur zu bald trat Otto in die imperialen Traditionen seines Amts ein und vergaß alle Unterwürfigkeit aus den Zeiten seiner Schwäche. Gegen die Absprache zog er nach Süditalien und suchte den Entscheidungskampf mit Friedrich II. 1210 schleuderte der Papst den Kirchenbann gegen Otto IV. und drückte seine Enttäuschung mit biblischen Worten aus: «Es reut uns, den Menschen geschaffen zu haben.»
Und wieder entschied nicht der Kirchenbann. Als staufische Anhänger Friedrich II. 1211 zum «Kaiser» wählten und der junge Hoffnungsträger aus Apulien 1212 nach Deutschland kam, wendete sich das Blatt erneut. Nach einem großen Schlachtensieg des mit Friedrich verbündeten französischen Königs Philipp II. Augustus 1214 in Bouvines über Kaiser Otto IV. versank das welfische Kaisertum in der Bedeutungslosigkeit. 1218 starb Otto auf der Harzburg und wurde in Braunschweig begraben. Staufische Chronisten wie Otto von Freising oder Burchard von Ursberg zogen aus der Unterordnung Heinrichs des Löwen unter Barbarossa und dem Scheitern Ottos IV. die Lehre, dass dieWelfen im Reich nur zu Herzögen taugten, die den staufischen Kaisern dienen sollten.
Seine Rechtmäßigkeit unterstrich Friedrich II. (1212–1250) in wiederholten Wahlen und Krönungen. Bei der Krönung in Aachen verschloss er 1215 eigenhändig den Schrein
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