Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
IV. (1243–1254) einen entscheidenden Schritt weiter. In einem öffentlichen Verfahren setzte er den Kaiser auf dem Konzil von Lyon ab und erklärte ihn zum Ketzer. Das Dekret, Muster späterer Herrscherabsetzungen, basierte auf der päpstlichen Verfügungsgewalt über das Kaisertum wie auf der theologischen Entscheidungsgewalt über Rechtgläubigkeit und Ketzerei. Zeitgenossen sahen im großen Ringen nur noch die Auseinandersetzung zweier Monarchen. So verwandelten sich Papsttum und Kaisertum ins Normalmaß europäischer Mächte.
Durch einen Vertreter bestritt Friedrich II. in Lyon die Rechtmäßigkeit des Verfahrens. Dann wandte er sich mit einem Schreiben an die Könige und Fürsten Westeuropas. Dem Bekenntnis des rechten Glaubens folgten schwere Vorwürfe gegen die Anmaßung der Kurie und die Warnung, auch anderen Königen könne solche Einmischung drohen. Dem Kampf der Worte folgten die Waffen. Überall in Friedrichs Reich brach Bürgerkrieg aus. Während die staufische Partei bis zu Friedrichs Tod die Rechtmäßigkeit seines Kaisertums und später das legitime Königtum seines Sohns Konrad IV. (1250–1254) bekräftigte, sahen die Anhänger des Papstes den Thron vakant. Mit Heinrich Raspe (1246–1247) und Wilhelm von Holland (1248–1256) erhoben sie neue Könige, die sich nur noch regional durchsetzten.
Der Riss ging quer durch die Länder und Familien. Den einen wurde Friedrich zur messianischen Verheißung, den anderen zum Haupt der apokalyptischen Schlange und zum Antichristen. In Italien führte der Kaiser einen erbitterten Krieg gegen den Papst und die Städte, ohne sich durchzusetzen. Am Ende stand sein Tod am 13. Dezember 1250 und die Beisetzung im Dom von Palermo an der Seite des Vaters. Bis zuletzt war Friedrich II. in zerstrittener Zeit von der Richtigkeit seiner Sache und seines Glaubens überzeugt. Die Urteile seiner Zeit zerrissen dieErinnerung: Den einen starb er einen süßen, den anderen einen furchtbaren Tod.
1250 endete das Kaisertum der Staufer. 1254 fand Konrad IV. im Kampf um sein Reich den Tod, 1268 sein Sohn Konradin. Dieser letzte staufische König von Jerusalem wurde 1268 auf dem Marktplatz von Neapel enthauptet. Die Bewohner von Akkon feierten darum ein Freudenfest. In der späteren Erinnerung der Deutschen erloschen mit Konradin die Staufer, die noch einmal die Größe mittelalterlicher Kaiserherrlichkeit garantiert hatten.
Die Zeitgenossen waren pragmatischer. Im sozialen Wandel, der königlichen Städten und Ministerialen endlich Autonomie oder gar Freiheit brachte, organisierten die Stände auch ohne König Ordnung und Frieden. Diese Jahre, später irrtümlich als Interregnum bezeichnet (1245/54–1273), brachten einen exklusiven Kreis von Königswählern hervor, der sich bis 1356 als Kollegium der sieben Kurfürsten ausformte. Ihm gehörten die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen an. In den Bahnen staufischer Internationalität erhob man im Reich 1257 gleichzeitig einen englischen und einen spanischen Stauferverwandten, Richard von Cornwall und König Alfons von Kastilien. 1273 begann die Reihe der Grafenkönige, Rudolf von Habsburg (1273–1291), Adolf von Nassau (1292–1298), Albrecht I. (1298–1308) und Heinrich VII. von Luxemburg (1308–1313). Züge nach Italien wurden erwogen, aber erst im 14. Jahrhundert wieder realisiert. Die zunehmende Beschränkung königlicher Handlungsmacht auf die Herkunftsregionen der Herrscher begrenzte die Strahlkraft dieser Monarchie. Mit acht Königen ohne Kaiserkrone fiel das Reich im europäischen Vergleich zurück. Ergebnislos wurden damals auch französische Königskandidaturen bedacht.
Die Zeit, als die Könige aus den Trümmern des staufischen Kaisertums herrschten und die materiellen Grundlagen zerfielen, gehörte zur imperialen Überspannung Friedrichs II. hinzu. Es war kein Absturz, eher die Konsequenz des Wandels. Als den Deutschen ihre lebendigen Kaiser lange genug abhanden gekommenwaren, dachten sie sehnsüchtig über das Kaisertum nach. Der Kölner Domherr Alexander von Roes ordnete in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit Zahlenallegorien Welt und Geschichte. Seine Rollenzuweisung gab den Italienern das Priestertum, den Deutschen das Kaisertum und den Franzosen das Studium. Anspruch und Form wurden begründet: «Man wisse also, dass der heilige Kaiser Karl der Große mit Zustimmung und im Auftrag des Papstes
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