Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
Symptome einer schweren Erkrankung des Reichsorganismus in Erscheinung treten. Am auffälligsten war die soeben angesprochene
Wechselwirkung zwischen dem Kampf gegen äußere und innere Feinde oder zwischen Grenz- und Selbstverteidigung, die das Kaisertum
zermürbte, die Wehrkraft zersetzte und dem Ansehen des Reiches schadete. Sodann fiel das Verhalten der Einwohner von Emona/Laibach/Ljubljana
(Slowenien), der ersten zu Italien zählenden Stadt, die Maximinus Thrax von Sirmium kommend erreichte, in die Augen: Sie hatten
alles zerstört, was dem durchziehenden Heer hätte nützlich sein können und waren unter Mitnahme von Habe, Nahrung und Vieh
geflohen (Herodian. 8, 1, 4). So groß war die Angst vor einem Heer, das zwar als römisches galt, dessen viele fremde Bestandteile
aber diesen Charakter weitgehend verwischten, und vor einem Kaiser, der sein barbarisches Naturell nicht verleugnete! Schließlich
führte die von Septimius Severus etablierte Vorherrschaft des Militärs in einen Teufelskreis: Sie zwang den Kaiser zu finanziellem
Druck auf die ‘Zivilbevölke rung ’, der aber durch die ebenfalls seit Septimius Severus bestehende Verklammerung derselben mit den jeweiligen Garnisonen (oben
S. 192) auf das Militär zurückwirkte und Unzufriedenheit hervorrief, die im Falle des Maximinus Thrax so groß war, daß sie
vor Aquileia zu seiner Ermordung durch Soldaten der in Italien stationierten
legio II Parthica
führte (Herodian. 7, 3, 6 + 8, 5, 8).
|209| Die Tyrannis des Maximinus Thrax war sozusagen ein Menetekel für Gordian III., dem der Prinzipat nach dem ‘Zwischenspiel’
des Pupienus und Balbinus zufiel. Die Berater des 13jährigen Jünglings ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen, die Leitlinien
der neuen Regierung als ‘Kontrastprogramm’ erscheinen zu lassen. So wurde im Namen des Kaisers die Beeinträchtigung des einzelnen
durch Delationen als „den Grundsätzen meiner Zeit widersprechend“ gebrandmarkt (Cod. Iust. 10, 11, 2). Städte erhielten ihre
Privilegien bestätigt (Aphrodisias/Asia: Année épigr. 1969 / 70, 599), Dörfern wurde Förderung versprochen (Inschr. von Scaptopara/Thracia [oben S. 207]: Zeile 11 – 15). Im Jahre 241 trat C. Furius Timesitheus, zum
praefectus praetorio
ernannt, sozusagen als Reichsverweser neben Gordian, mit dem er sich auch verwandtschaftlich verband (Heirat Gordians mit
Tranquillina, Tochter des Timesitheus). Mit großer Tatkraft und bemerkenswertem Geschick leitete der in den Fünfzigern stehende
Timesitheus die Reichsangelegenheiten, so daß der Prinzipat des heranwachsenden Gordian von einem gewissen Glanz erfüllt wurde
(Hist. Aug. Gord. 31, 4 – 6). Zu den bevorzugten Helfern des
praefectus praetorio
gehörten die Brüder M. Iulius Philippus und C. Iulius Priscus aus Arabien. Von ihnen wurde der erstere 243 Nachfolger des
auf dem Perserfeldzug verstorbenen Timesitheus und zog seinen Bruder als Kollegen nach. Als Philippus dann nach dem Tode Gordians
244 zum Kaisertum gelangte, stand Priscus ihm als alleiniger Prätorianerpräfekt zur Seite. So verband eine eigenartige Kontinuität
die Regierungszeit Gordians III. mit der des Philippus Arabs.
Ein schwerwiegendes Problem der Regierung Gordians und der seines Nachfolgers bildete die Währung. 238 hatten Pupienus und
Balbinus den Antoninian (oben S. 184) wiedereingeführt, im Gewicht leicht vermindert (4,75 g) und mit einem Silberanteil von
knapp 50%. Diese Norm ließ sich nicht halten. Unter Gordian wurde das Gewicht auf 4,5 g reduziert, der Silbergehalt sank auf
weniger als 45%. Damit begann für den Antoninian schon nach kurzer Zeit die Talfahrt, welche den Denar seit Septimius Severus
nach und nach entwertet und seinen Sturz als Standardmünze herbeigeführt hatte. Was den Aureus betraf, so erfuhr er eine Herabsetzung
des Gewichts von 6,5 auf 5,0 g; er entsprach nun 1 / 65 des römischen Pfunds (unter Caracalla: 1 / 50).
Es blieb den Menschen dieser Zeit natürlich nicht verborgen, daß die Kaiser „verfälschtes“ Gold- und Silbergeld in Umlauf
brachten. Um so bitterer empfanden sie es, daß die Gelder, die ins Ausland |210| flossen, wie die Subsidien an die Germanen (oben S. 196), in „ech ter “, d. h. alter Münze bezahlt wurden (Cass. Dio 78, 14, 3 – 4). Seit 238 belasteten nun Jahrgelder für die Goten (unten S. 211) die Staatsfinanzen, und 244 mußte Philippus Arabs dem
Perserkönig Schapur für
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