Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
insgesamt in Gefahr. In der pisonischen Verschwörung (65) hatte sich die römische
Opposition artikuliert; sie war erstickt worden (oben S. 63f.). Drei Jahre später (68) ergriff der Statthalter der Gallia
Lugdunensis, C. Iulius Vindex, die Initiative zum Sturz des entarteten Kaisers. Vindex war ein romanisierter Gallier und rühmte
sich, eine Anhängerschaft von 100 000 Mann zu haben. Sozusagen in ihrem Namen – Sequaner, Häduer, Arverner – machte er sich anheischig, den Römern zu Hilfe
zu kommen – mit der Kreierung eines neuen Kaisers. Dabei hatte er Ser. Sulpicius Galba, den Statthalter der Hispania Tarraconensis,
im Blick, mit dem er in Verbindung getreten war. Galba wehrte zwar seine Akklamation zum Imperator ab, gab aber durch Änderung
seiner Statthalterbezeichnung zu erkennen, daß er sich von Nero lossagte.
Legatus senatus ac populi Romani
nannte er sich jetzt, nicht mehr
legatus Augusti
(Suet. Galba 10, 1).
Nero sah natürlich nicht tatenlos zu, wie in Gallien und Spanien an seiner Herrschaft gerüttelt wurde. Zunächst ließ er von
Neapel |67| aus (oben S. 65) Vindex zum
hostis
erklären, später (im April), als er wieder in Rom residierte, auch Galba. Die Hostiserklärung des Senats gegen Vindex rief
den Befehlshaber des obergermanischen Heeres, L. Verginius Rufus, auf den Plan. Er zog mit seinen Truppen (drei Legionen und
Auxiliareinheiten) von Mogontiacum/Mainz nach Vesontio/Besançon und lieferte Vindex eine Schlacht, in der 20 000 Gallier fielen. Vindex gab sich selbst den Tod. Dann trat etwas Unerwartetes ein: Das siegreiche römische Heer rief seinen
Feldherrn zum Imperator aus! Und damit nicht unklar bliebe, was die Soldaten bezweckten, rissen sie die Bilder Neros von den
Feldzeichen und nannten ihren Feldherrn „Caesar“ und „Augustus“ (Cass. Dio 63, 25, 1). Verginius Rufus aber bestritt den Soldaten
das Recht zur Kaisererhebung, dieses komme allein dem Senat und dem römischen Volk zu. Er blieb bei dieser Einstellung auch
nach seiner Rückkehr ins Hauptquartier (Mogontiacum), als die Soldaten ihm erneut das Kaisertum antrugen. Er habe, so sagte
er später (97) im Rückblick auf sein Leben, die Herrschaft dem Vaterland überantwortet, statt sie selbst zu ergreifen (Plin.
min. ep. 10, 6, 4). Im Gegensatz zu Verginius war Galba durchaus bereit, der an ihn ergangenen Aufforderung, das Kaisertum
zu usurpieren, Folge zu leisten. Er hob zu der einen damals in Spanien stehenden Legion eine zweite aus und verschaffte sich
Geld durch Veräußerung von Neros spanischem Grundbesitz. Durch den Tod des Vindex verlor Galba dann aber die Unterstützung
Galliens, auf die er gebaut hatte. Um so mehr bemühte er sich nach Vesontio, Verginius Rufus brieflich für seine Pläne zu
gewinnen und die Soldaten der Rheinarmee durch Geldzahlungen sich geneigt zu machen. Ein Erfolg war ihm hier nicht beschieden.
Wohl aber gestalteten sich die Dinge in Rom zu seinen Gunsten, und zwar hauptsächlich deshalb, weil der Prätorianerpräfekt
C. Nymphidius Sabinus den Prätorianern 7500 Denare je Mann versprach, wenn sie Galba zum Imperator akklamierten (Plut. Galba
2, 2).
Als Nymphidius Sabinus die Imperator-Akklamation Galbas vorbereitete, war abzusehen, daß Neros Tage so oder so gezählt waren.
Es hatte sich nämlich auch L.Clodius Macer, der Kommandeur der
legio III Augusta
in Africa, von ihm losgesagt, so daß zu befürchten stand, daß das für Rom lebenswichtige Getreide aus dieser Provinz (oben
S. 21) ausblieb. Wie Galba (oben S. 66) gab auch Clodius Macer seinem Titel einen ‘republikanischen’ Anstrich: PRO PRAE(tor)
AFRICAE nannte er sich auf seinen Münzen und gab vor, sie „auf Senatsbeschluß“ zu prägen: S C (Rom. Imp. Coin. I 2 |68| 196, Nr. 41). Neros Notstandsmaßnahmen sorgten für zusätzlichen Zündstoff: Die Bürger Roms wurden aufgefordert, sich zum Kriegsdienst
zu melden. Wer Sklaven besaß, mußte eine bestimmte Anzahl zur Aufstellung militärischer Formationen abgeben. Allen Ständen
wurde eine Vermögenssteuer auferlegt, den Unbemittelten eine Jahresmiete abverlangt (Suet. Nero 44, 1 – 2).
Den Senat hatte Nero brüskiert, als er nach seiner Rückkehr aus Neapel die beiden Konsuln ihres Amtes entsetzte und allein
(!) das Konsulat übernahm. Die Quittung für sein selbstherrliches Gebaren erhielt er Anfang Juni 68 in den dramatischen Ereignissen,
die zu seinem Selbstmord führten: Der Senat nahm Kontakt zu dem
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