Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
Kaiser, was des Kaisers und Gott, was
Gottes ist“ (Marc. 12, 27) dahingehend, daß dem Kaiser Anerkennung und Gehorsam, Gott allein aber Anbetung zukomme. Zur Anerkennung
des Kaisers gehöre auch das Gebet für sein und des Staates Wohl. Dieses Gebet nun sähen die Christen als ihre selbstverständliche
Pflicht an und bewiesen dadurch ihre loyale Einstellung gegenüber dem Staat (Iustin. 1, 17). Die Argumentation war zwar logisch,
aber nur aus christlicher Sicht, denn sie verkannte die Realität, daß Millionen Menschen im Römischen Reich das Kaiseropfer
vollzogen – in Übereinstimmung mit ihrer Götterverehrung.
Die Ausbreitung des Christentums erfolgte zu Lasten des alten Götterglaubens, der stellenweise so viele Anhänger verlor, daß
seine Existenz in Gefahr geriet. Das war z. B. in Bithynien der Fall, wo nach Plinius die Tempel leer blieben und keine Opfer
mehr dargebracht wurden. Dieser Zustand änderte sich jedoch durch die Maßnahmen, die Plinius gegen die Christen ergriff: Man
fing wieder an, die Tempel zu besuchen und die Opfer zu vollziehen (Plin. min. ep. 10, 96, 10). Es lag eben im Staatsinteresse,
daß der neue „Aberglaube“, wie auch Plinius das Christentum bezeichnete (vgl. oben S. 41), keine Veränderung im Verhältnis
von Göttern und Menschen herbeiführe. Deshalb mußte ihm Einhalt geboten werden.
Die Götter wurden immer dann mit besonderer Intensität angerufen, wenn Unglück über die Menschen und den Staat hereingebrochen |142| war. Eine solche Lage trat im Jahre 167 ein: Hungersnot, Kriegsausbruch, Pestepidemie – in Rom ging das Grauen um. Da rief
Marcus Aurelius von überallher Priester zusammen und ließ sie ihre Riten verrichten. Ein
lectisternium
(Göttermahl) wurde veranstaltet, wie es in frühesten Zeiten des römischen Staates zur Pestabwehr eingeführt worden war (399
v. Chr.). Der Kaiser selbst leitete als
pontifex maximus
die Sühnemaßnahmen der städtischen Priesterschaften (Hist. Aug. Marc. Aur. 13, 1 – 2). Mochte Marcus Aurelius der Religion persönlich auch reserviert gegenüberstehen, um des Staates willen hielt er an ihr
fest.
Die Pest, die 166 in Rom ausbrach und 167 ihr Schreckensregiment in der Stadt ausübte, war aus dem Osten eingeschleppt worden.
Das vom Partherfeldzug (unten S. 162) zurückkehrende Heer des Lucius Verus hatte die Seuche überall verbreitet (Hist. Aug.
Luc. Ver. 8, 1). In Rom aber wirkte sie sich geradezu verheerend aus. Tausende fielen ihr zum Opfer; die Leichen mußten zuhauf
aus der Stadt geschafft werden; strenge Verordnungen für die Bestattung der Toten waren erforderlich (Hist. Aug. Marc. Aur.
13, 3 – 5). Zwölf Jahre später, 189, wurde Rom erneut von der Pestilenz befallen, und auch diesmal wütete sie entsetzlich. An manchen
Tagen waren an die 2000 Tote zu beklagen. Jeder konnte der nächste sein. Ein Pesthauch lag über der Stadt; die Menschen wagten
kaum zu atmen (Cass. Dio 73, 14, 3 – 4; Herodian. 1, 12, 1 – 2). Nach der großen Pest kam 191 das große Feuer. Es brach im Templum Pacis aus, griff auf das Forum Romanum über und zerstörte
hier u.a. den Tempel der Vesta. Die Feuersbrunst dauerte mehrere Tage und dehnte sich auf große Teile der Stadt aus. Mit dem
Templum Pacis ging auch die ihm angeschlossene Bibliothek (oben S. 85) zugrunde. Im Tempel selbst hatten viele Römer ihre
Wertgegenstände deponiert; sie wurden ein Raub der Flammen. Aus dem Vesta-Tempel retteten die Vestalinnen das Palladium, jenes
aus Troja stammende Athena-Idol, das zu den Unterpfändern der römischen Herrschaft gehörte, und brachten es auf den Palatin
– ein denkwürdiges Ereignis.
Seuchen und Brände waren Fälle ‘höherer Gewalt’, für die eine Großstadt wie Rom mit einer Million Einwohnern in besonderem
Maße anfällig war. Um so mehr durften die Römer sich bei dem Gedanken beruhigen, daß für ihre elementaren Lebensbedürfnisse,
Wasser und Brot, in einer Weise gesorgt wurde, die wohl einmalig auf der Welt war. Zehn Aquädukte führten soviel Wasser in
die Stadt, daß jeder Einwohner fast 1000 Liter pro Tag hätte verbrauchen können, und das Wasser war gut. Im Jahre 97 übernahm
Sex. |143| Iulius Frontinus, der schon etwa 73 Konsul gewesen war, die Aufsicht über die Wasserversorgung: er wurde
curator aquarum
. Als solcher schrieb er ein Buch über seinen Aufgabenbereich: ›De aquis urbis Romae‹. Ihm verdanken wir genaue Angaben über
alles,
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